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(c) Uwe Arens
Fingerwechsel auf einer Taste, eine Runde Terzentriller und zwischendurch ein paar Akkord-, Staccato- und Sprung-Übungetn – auch mit solchen Maßnahmen wurden Generationen von kleinen und großen Klavierschülern Tag für Tag und Takt für Takt gequält, gepeinigt, geknechtet. Und obwohl es längst auch eine EUMenschenrechtskommission gibt, sind die Anleitungen zur Klavier- Marter weiterhin ohne Altersbegrenzung überall erhältlich. Wie Carl Czernys „Vorschule zur Fingerfertigkeit“, die eigentlich eine Vorschule zur Hölle geblieben ist. Hunderte, wenn nicht gar Tausende solcher spieltechnischen Exerzitien hat der Klavierpädagoge Czerny aus den Fingern geschüttelt und damit ein riesiges Vermögen gemacht. Als der gebürtige Wiener in seiner Heimatstadt am 15. Juni 1857 für immer die Augen schloss, durften sich seine Wirtschafterin sowie karitative Institutionen über ein Erbe von stolzen 100.000 Gulden Konzertfreuen. Der Ruhm aber, den Czerny zu Lebzeiten genoss, schlug eben schnell in Spott und Hohn um. Weshalb selbst das einmal von Igor Strawinski geäußerte Lob vom hochgeschätzten „Vollblutmusiker“ Czerny wohl eher eine Spitze gewesen ist.
Dabei hatte immerhin kein Geringerer als Eduard Hanslick einmal angemahnt, Czernys kompositorische Vielseitigkeit nicht zu unterschätzen. Tatsächlich findet sich in seinem weit über 800 Opusnummern zählenden Werkkatalog nicht nur spieltechnisches Trockenfutter. Der Mann, der schon mit elf Jahren Beethoven verblüffte und mit 15 Jahren bereits ein gefragter Klavierlehrer war, entwickelte sich auch zu einem gl e ichermaßen fleißigen Komponisten auf dem Gebiet der Orchester-, Kammer- und Vokalmusik. Vieles davon ist bis heute kaum bis gar nicht bekannt. Was vielleicht auch nicht weiter tragisch ist. Denn Czerny war vorrangig auf einen brillanten Stil abonniert, wie er in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum guten Salon-Ton gehörte. Selbst ein Franz Liszt, der seinem Klavierlehrer bekanntermaßen viel zu verdanken hat, beklagte sich über die wenig gehaltvollen Kompositionen aus Czernys reifen Jahren.
Und doch gibt es immer wieder diese kleinen Überraschungen, die das Bild vom Allerweltskomponisten Czerny korrigieren. Genau mit so einem Fundstück ist das Klavierduo Tal & Groethuysen nach langer Czerny-Enthaltsamkeit wieder ins Aufnahmestudio gegangen. Hatte man 1991 vierhändige Klavierwerke eingespielt und dafür gleich den „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ eingeheimst, legen die beiden Raritätenjäger jetzt Czernys C-Dur-Konzert für Klavier zu vier Händen und Orchester sogar mit Mozarts Konzerts für zwei Klaviere gekoppelt vor. Allein schon von Czernys Vita her bietet sich die Gegenüberstellung durchaus an, da er im Alter von neun Jahren mit Mozarts Klavierkonzert KV 491 in Wien sein Konzertdebüt gab. Aber gerade was die Behandlung der Orchesterstimmen seines vierhändigen Klavierkonzerts angeht, muss sich Czerny keinesfalls vor dem Salzburger verstecken. Dies gilt besonders für die von den Holzbläsern gestaltete, serenadenhafte Einleitung des langsamen Satzes. Und ihr wohliges Licht strahlt nahtlos in die Klavierstimmen hinein. Einfach traumhaft schön.
Sony
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