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Der erzdeutsche Kapellmeister, der nahezu ausschließlich einen deutschen Sinfonien- und Opernhaushalt führt und nach kurzem Berufsverbot 1936 mehr oder minder unglücklich mit den Nazis paktiert, der Priester der Langsamkeit, der Ekstase-Orgien des Klangs inszeniert, der Magier der Improvisation, der auf Proben verzichtet und – mit meisterlicher Schlagtechnik und Suggestionskraft – alles auf die spontane Konzerteingebung setzt: Die Schlagworte, mit denen man den bärbeißigen, hochgewachsenen Hans Knappertsbusch (1888-1965) charakterisiert, sind jetzt auf einer vortrefflichen CD-Box aller seiner RIAS-Aufnahmen der Jahre 1950-52 mit den Berliner Philharmonikern nachzuerleben. Wobei die Gegenüberstellung der »Unvollendeten« Schuberts jeweils in einer Studio- und einer zwei Tage später aufgenommenen Liveaufnahme offenbart, wie sehr Knappertsbusch die abendliche Augenblicksemphase, die sich in überraschenden Tempomodifikationen niederschlägt, vor dem trockenen Studio schätzt. Dass Langsamkeit nicht langweilen muss, zeigt seine widerborstige, funkenschlagende Achte Beethovens. Während Haydns »Paukenschlag« für heutige »historisch korrekte« Ohren dann doch zu viel spätromantischen Bombast auffährt. Bruckner wiederum, Knappertsbuschs Steckenpferd (neben Wagner und Strauss), ist mit einer Achten und Neunten vertreten (letztere wiederum als Studio- und Konzertaufnahme), deren dramatisch-wuchtiger Gestus immer formbewusst bleibt und nie zur mäandrierend pompösen Selbstherrlichkeit verkommt. Nicht zuletzt seien die (Wiener) Walzer-Schmankerln und Tschaikowskis Nussknacker-Suite erwähnt: filigraner Labsal für die geschundenen Fünfzigerjahre- Seelen. Und Dokumente ersten Ranges für ihre heutigen Enkel.
Christoph Braun, 04.01.2014, RONDO Ausgabe 5 / 2010
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