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Hämmernde Kopfschmerzen: Vertonte Wagner seine Migräne? (c) Schmerzklinik Kiel
Selbst die größten Komponisten waren auch nur Menschen mit entsprechenden Krankheiten und Zipperlein. Trotzdem hat es etwa den Dauerpatienten Beethoven weder daran gehindert, weiterhin Meisterwerke zu schreiben. Noch hat er sich musikalisch über seine Taubheit, Herzrhythmusstörungen oder seine rasenden Kopfschmerzen beklagt. Ganz anders Richard Wagner, wie jetzt ein musikbegeistertes Forschungsteam von der Kieler Schmerzklinik anhand einer Studie zu beweisen versucht. Denn laut des Migräne-Spezialisten Hartmut Göbel soll der chronisch an heftigsten Kopfschmerzen leidende Wagner sein Schicksal vertont haben. Und als Beleg für diese These hat man besonders den Beginn von „Siegfried“ untersucht. So kündigt sich über das anschwellende Orchesterbrummen die Migräne-Attacke an, gefolgt von einem pulsierenden, pochenden Rhythmus mit schrillem Hämmern sowie schließlich Mimes (bzw. Wagners) Ausruf „Zwangvolle Plage! Müh‘ ohne Zweck!´“
„Von der Ankündigung mit dumpfem Pochen bis zur Pulsation der Schmerzen auf dem Höhepunkt der Attacke: Der klassische Verlauf eines Migräneanfalls lässt sich Takt für Takt an der Musik nachvollziehen“, meint Göbel. Außerdem entdeckte er sogar in der Partitur flirrende und flackernde Melodielinien, die eindeutig auf die neurologischen Begleitsymptome einer Migräne mit dem üblichen Flimmern vor den Augen übereinstimmen.
Nun hat sich Wagner über seine Krankheit auch im Zusammenhang mit „Siegfried“ geäußert. In einem Brief an Franz Liszt schreibt er, „dass ich nun schon seit 10 Tagen, wo ich die Skizze zum ersten Acte des Siegfried beendigte, buchstäblich nicht einen Takt mehr niederschreiben konnte, ohne durch die ängstlichen Kopfschmerzen davon fortgejagt zu werden.“ Liegt Hartmut Göbel daher mit seiner Vermutung richtig, muss man ab sofort wohl ganze Passagen in Wagners Opernschaffen mit ganz anderen Ohren hören.
Und wer an einer gar nicht so lustigen Migräne leidet, kann auch im „Rheingold“ jene Szene in Alberichs Schmiede nachvollziehen, in der die Schlagzeuger ein effektvolles Crescendo auf den Ambossen hinlegen müssen. „Nachfolgende Generationen“, glaubt Göbel, „können so unmittelbar Richard Wagners Empfindungen und Wahrnehmungen miterleben“. Stellt sich nur noch die Frage, wie eigentlich ein kerngesunder Wagner komponiert hätte?
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