home

N° 1298
25. - 31.03.2023

nächste Aktualisierung
am 01.04.2023



Startseite · Oper & Konzert · Da Capo

(c) Monika Rittershaus

Zaren-Dummy: Rimski-Korsakows "Die Zarenbraut"

Berlin, Staatsoper

Dmitri Tschernjakov, der 2011 das Bolschoi- Theater wiederöffnete (mit Glinkas „Ruslan und Ludmila“), ist der zurzeit angesagteste – und wohl teuerste – Opernregisseur aus Russland. Umso mutiger seine Idee eines ‚Zaren- Dummys fürs Volk’ in seiner Inszenierung der „Zarenbraut“ von Nikolai Rimski-Korskakov. Geradezu putinkritisch, denn es geht in dieser Aktualisierung um die Erschaffung eines nur medial existierenden, steuerbaren und gänzlich fiktiven Fernsehkopfes als Führungspersönlichkeit. Nur die „Zarenbraut“, so die Entscheidung der russischen Medienexperten, soll echt sein – und wird in einem landesweiten Casting ausgesucht.
Der Abend ist derart aufwendig, dass beim ZDF ein ganzes Fernsehstudio ausgebaut werden musste, um die flimmernden, computeranimierten Rasterfantasien szenisch glaubhaft zu machen. Die Figuren entwickelt Tschernjakov stark aus den Personen seiner Darsteller heraus. So kann Olga Peretyatko als kühle Braut den Abend sinnlich dominieren. Mit Johann Martin Kränzle als herrlich deklamierendem Bösewicht (Grjasnoj) und der georgischen Weltklasse-Altistin Anita Rachvelishvili geht der Abend ab wie nichts. Sogar zwei Altstars hat man aufzubieten: Anatoli Kotscherga (Abbados „Boris Godunov“) und – erstaunlich gut imstande – Anna Tomowa-Sintow (Karajans Marschallin in den 80er Jahren). Sie liefern ausgefeilte Rollenporträts, die den Abend zu einem der gelungensten der letzten Jahre in Berlin machen.
Das Werk war ein Wunsch von Daniel Barenboim, der hier angriffslustig, expressionistisch aufgrellend und beißend dirigiert. Man merkt die Lust, mal wieder etwas Ungewohntes in Händen zu halten. Rimskis antiwagnerische Klangwülste repräsentieren ein Meisterwerk der romantischen Oper zwischen Tschaikowski und Mussorgski. Schön, dass man sich in Berlin wieder stärker einem Repertoire zuwendet, in dem offenbar herrliche Wiederentdeckungen zu machen sind.

Robert Fraunholzer, 07.12.2013, RONDO Ausgabe 6 / 2013



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Blind gehört

Zuletzt erschienen:

Samuel Hasselhorn: „Den kenn’ ich doch!“

zum Artikel

Gefragt

Mason Bates

Virtuoser Poly-Stilist

Unbekümmert mischt dieser amerikanische Komponist die Ästhetik der sinfonischen Tradition mit […]
zum Artikel

Pasticcio

Sängergewerkschaft

Meldungen und Meinungen aus der Musikwelt

Bis vor kurzem war auch Star-Bariton Michael Volle ständig unterwegs und weltweit an den […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Nach seiner viel beachteten Aufnahme der 7. Sinfonie setzen François-Xavier Roth und das Gürzenich-Orchester Köln ihre Bruckner-Gesamteinspielung fort. Die „Romantische“, wie Anton Bruckner seine vierte Sinfonie selbst betitelt, komponierte er 1874 inmitten einer Zeit persönlicher Niederlagen. Und er zweifelt sofort an seinem Werk, bezeichnet manche Stellen als „unspielbar“ und findet die Instrumentation „hie und da überladen und zu unruhig“. Erst Jahre später, nach […] mehr


Abo

Top