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(c) Harald Hoffmann
Ho ho ho ho – hat sich da etwa wieder ein Musiker zum Weihnachtsgeschäft die rote Zipfelmütze übergezogen, um sich und seinen Fans zum Fest einen musikalischen Bunten Teller zu bescheren? Nun, ganz so einfach hat es sich Albrecht Mayer nicht gemacht. Ursprünglich, so versichert er, stand noch nicht einmal fest, dass sein Projekt mit den King‘s Singers ein Winteralbum werden würde. Umso bewusster war ihm, dass die Zusammenarbeit mit der legendären britischen A-Capella-Gruppe für jeden Instrumentalisten eine handfeste musikalische Herausforderung bedeutet. Mayers Respekt war umso größer, weil das Ensemble schon in seiner Kinder- und Jugendzeit zu seinen musikalischen Vorbildern gehörte. Im Knabenchor, in dem er damals sang, und auf dem Musikgymnasium, auf das er ging, kursierten nicht nur die Aufnahmen der King‘s Singers – er habe sie sich auch ganz praktisch zum Vorbild genommen, als er mit seiner Clique wild gemischte Programme ausprobiert und zum Teil auch auf der Fußgängerzone vorgetragen habe.
Heute ist Albrecht Mayer selbst ein großer „Sänger“– allerdings auf der Oboe, deren kantable Qualitäten er wie kein zweiter Solist in seiner Generation erprobt und erweitert hat. Gerade dieser Erfahrungen wegen kam für Mayer eine Rollenverteilung, wie sie etwa Jan Garbarek und das Hilliard- Ensemble auf ihrem Album vornahmen, nicht in Frage: „Sie sind damit extrem erfolgreich gewesen und für das Publikum hat es auch funktioniert. Aber den Ensemblegesang und den vermeintlichen Solisten hätte man nach meinem Geschmack auch getrennt voneinander aufnehmen können – das hätte für mich ebenso viel Zusammenhang gehabt.“
Das andere Extrem, nur eine siebente Stimme im Ensemble zu sein, habe er jedoch auch zu vermeiden gesucht: „Das kann man ein oder zwei Mal machen, aber nicht ständig – sonst fragt man sich ja, warum singt der nicht gleich selbst?“ Bewusst habe er daher von Stück zu Stück mit verschiedenen Rollen experimentiert. „Mir war wichtig herauszufinden: Worauf reagiere ich im Ensemble? Was passiert, wenn die gerade mal schweigen? Kann ich einen Kommentar abgeben? Oder kann ich eine weitere Stimme sein? Kann ich ein Kontrapunkt oder eine Farbe sein? Kann ich ein Geräusch sein?“
Hört man genau hin, kann man tatsächlich in jedem Stück einen anderen Albrecht Mayer erleben – mal präzise am Notentext, wie in dem herausfordernd instrumental geschriebenen Arrangement des (Albinoni nur zugeschriebenen) Adagios, aber auch mal freier improvisierend, wie in dem Evergreen „Baby It‘s Cold Outside“. Um diese Experimente umzusetzen, bedurfte es nicht nur musikalischen Fingerspitzengefühls: Fasziniert berichtet Mayer, der sich gerade im Studio als impulsive Persönlichkeit entpuppt, von der musikalischen Flexibilität sowie der „extremen britischen Liebenswürdigkeit und Höflichkeit“, mit der sich das Ensemble auf dieses Projekt einließ – ein Projekt, möchte man hinzufügen, das trotz seiner schlussendlich gefälligen Durchhörbarkeit eine durchaus herausfordernde Winterexpedition gewesen sein dürfte.
DG/Universal
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