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Ein Ruck geht derzeit durch diverse Berufe der klassischen Musik. Nicht allein, dass es den ersten Oboen-Helden (Albrecht Mayer), das erste Harfen-Pinup (Xavier de Mestre) und den ersten Orgel-Superstar (Cameron Carpenter) gibt. Sogar gänzlich vernachlässigte Solo-Instrumente wie der Kontrabass und das Fagott werden neuerdings rampenfähig. Manchmal durch einen Säkularisierungs-Schub, bei dem Sakralmusik weltlich aufgemischt und damit showfähig wird. Auch Eric Whitacre ist keineswegs gläubig. Und erzeugt in seinen Chor-Hymnen dennoch einen scheinheiligen Klang von großartiger Strahlkraft und Innigkeit.
»Es ist halt wie eine große Party«, sagt der aus der amerikanischen Chortradition hervorgegangene, in Reno/Nevada geborene Musiker. »Meine großen Chor-Erlebnisse hatte ich mit Universitätschören in Utah und in Minnesota.« In Ländern, deren Farmerweiten so dünn besiedelt sind, dass niemand sich wundert, wenn man das Internet als Chor-Plattform zur Überbrückung realer Entfernungen nutzt.
Also dirigierte er mehrfach im Internet einen von ihm initiierten ›virtual choir‹ aus hunderten von zugeschalteten Web-Usern. »Lux aurumque «, von ihm selbst komponiert, wurde zum Superhit, auch wenn Whitacre den Titel nicht als eines seiner Hauptwerke bezeichnet. »Ich hab’s in Windeseile komponiert. Dass es so berühmt wurde, ist eher Zufall. Hören Sie »Sleep«, das ist ein wichtiges Werk von mir«, sagt er gutgelaunt beim Interview in Berlin.
Bis zu 420 Leute dirigiert er zuweilen. Eigentlich nicht seine Wunschvorstellung, denn: »Ein Chor mit so massivem Klang ist ebenso schwergängig und unbeweglich wie ein großes Kreuzfahrtschiff.«
Auf seiner ersten CD hat Whitacre nur 34 Sänger versammelt, die einen Querschnitt durch das fast grundsätzlich tonale Werk des Komponisten Eric Whitacre singen. Dessen gemäßigt rückwärtsgewandte Moderne präsentiert sich ohne jede ideologische Verbrämung. Wie Samuel Barber bekennt sich Whitacre zu dem Satz: »Weil es bei mir zum Singen nicht reichte, bin ich Komponist geworden.« Mit 18 Jahren erst kam er zum Gesang. Im Dirigieren fand er ›the greatest job in the world‹, wie er sagt. Man hört’s. Die Partygesänge für A-cappella-Chor sind die unbeschwerteste, dabei funktionsfähigste Moderne seit langem.
»Wenn man mich ließe, würde ich auch Opern dirigieren, am liebsten die von Benjamin Britten«, meint er. Einige seiner Werke sind längst zu Standards des internationalen Chor-Repertoires aufgestiegen. Frische Farbe in einem ergrauten und akademischen Traditions-Gewerbe. Das Internet singt mit. Strahlemann macht’s möglich.
Robert Fraunholzer, RONDO Ausgabe 1 / 2011
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