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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Natürlich kommt Italien auch selbst zu Besuch – wie beim Abschlusskonzert mit dem Orchester der Akademie St. Cecilia Rom (c) Musacchio, Ianniello e Pasqualini

Kissinger Sommer

Klingende Italien-Hommage

Das Festival im bayerischen Kurort Bad Kissingen zelebriert „La Dolce Vita“.

Italien ist und bleibt ein Sehnsuchtsland. Viele Deutsche pilgern regelmäßig gen Süden, um mediterrane Lebensfreude und faszinierende Kunst zu genießen. Von diesen Wunschvorstellungen lässt sich nun auch das Festival Kissinger Sommer leiten. Unter dem Motto „La Dolce Vita“ lädt Intendant Alexander Steinbeis zu Streifzügen durch Italiens Musikgeschichte ein, von der Renaissance bis zur Gegenwart. Zahlreiche italienische Orchester, Ensembles und Solisten sind von Mitte Juni bis Mitte Juli in dem traditionsreichen Kurort Bad Kissingen zu erleben.
Den Anfang macht das Sinfonieorchester Giuseppe Verdi Mailand mit einer rauschenden Operngala. Die Sopranistin Carmela Remigio und der Tenor Freddie De Tommaso singen Arien von Gioachino Rossini, Vincenzo Bellini, Giacomo Puccini und Giuseppe Verdi. Am Pult steht der junge Dirigent Vincenzo Milletarì. Rossini war 1856 selbst Kurgast im fränkischen Heilbad. Nach ihm wurde inzwischen der Rossini-Saal benannt, wo jetzt beispielsweise die Geigerin Lisa Batiashvili mit den Pianisten Giorgi Gigashvili und Tsotne Zedginidze auftritt. Auf dem Programm stehen unter anderem zwei Solo-Klavierstücke aus der Sammlung „Péchés de vieillesse“, an der Rossini auch in Bad Kissingen arbeitete.

Malerfürsten und Mafiosi

In die Zeit der Renaissance wird das Publikum von der Capella de la Torre entführt. Im Kurtheater begibt sich das Alte-Musik-Ensemble unter Leitung von Katharina Bäuml auf eine musikalische Erkundung der Welt des Florentiner Malers Sandro Botticelli. Stücke von Antonio Vivaldi, Pietro Antonio Locatelli. Baldassare Galuppi und Giuseppe Tartini führt das Venice Baroque Orchestra mit Andrea Marcon auf. Solist ist der russisch-ungarische Geiger Sergey Malov. Italienische Barockwerke finden sich auch in dem Konzertprogramm „Serpent & Fire“, das die Sopranistin Anna Prohaska mit dem Ensemble Il Giardino Armonico präsentiert.
Die aus Apulien stammende Pianistin Beatrice Rana spielt mit dem WDR Sinfonieorchester Köln unter Andrew Manze Robert Schumanns Klavierkonzert a-Moll, eingerahmt von Ottorino Respighis Orchestersuite „Gli uccelli“ (Die Vögel) und Peter Iljitsch Tschaikowskis sinfonischer Dichtung „Francesca da Rimini“. Der Kissinger Sommer schlägt auch in diesem Jahr Brücken zwischen unterschiedlichen musikalischen Genres. Unter dem Titel „Viaggio in Italia“ gibt das Münchner Rundfunkorchester mit seinem Chef Ivan Repušić beliebte Musik aus italienischen Filmen zum Besten – von „Der Leopard“, „La dolce vita“ und „Der Pate“ bis zu „Nuovo cinema paradiso“.
Dass das süße Leben auch seine Schattenseiten hat, zeigt der Rundfunkchor Berlin mit Chefdirigent Gijs Leenaars im Gesprächskonzert „Bella Italia – La dolce vita?“. Neben Vokalmusik von Claudio Monteverdi bis zu Luigi Nono gibt es Diskussionen mit Gästen wie etwa dem Mafia-Experten Sandro Mattioli. Die Italien-Klammer schließt sich mit dem Abschlusskonzert des Orchesters der Akademie St. Cecilia Rom unter Leitung von Gianandrea Noseda. Aufgeführt werden Sergei Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 – Solist: der kanadische Pianist Bruce Liu, Gewinner des Warschauer Chopin-Wettbewerbs 2021 – sowie Werke von Respighi und Nikolai Rimski-Korsakow.
Über den Italien-Schwerpunkt hinaus sind weitere Highlights angekündigt. Erstmals gastiert Christian Thielemann in Bad Kissingen, und zwar am Pult des BR-Symphonieorchesters, das dem Festival seit Langem verbunden ist. Auf dem Programm steht Anton Bruckners Fünfte Sinfonie. Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin kommt mit seinem ehemaligen Chef Kent Nagano und dem Pianisten Rafał Blechacz. Die unter Semyon Bychkov musizierende Tschechische Philharmonie hat unter anderem ihren Leib- und Magenkomponisten Antonín Dvořák im Gepäck. Pult-Doyen Herbert Blomstedt ist mit den Bamberger Symphonikern zu erleben. Einen Kontrapunkt zum sonnigen Süden setzt Franz Schuberts „Winterreise“ mit dem Bariton Benjamin Appl, begleitet von dem Pianisten James Baillieu. Der Schauspieler Harald Krassnitzer („Tatort“) liest dazu aus Texten über eine österreichisch-ungarische Nordpolexpedition im späten 19. Jahrhundert.

Kissinger Sommer

16.6.–16.7.2023, „Italien“
Tel.: (09 71) 8 04 84 44
www.kissingersommer.de www.kissingersommer.de

Und, wie war's?

Unter dem Motto „La dolce vita“ hat der Kissinger Sommer dieses Jahr den Kompass nach Süden ausgerichtet. In der Erlöserkirche, nur wenige Schritte vom mediterran anmutenden Kurgarten entfernt, bot das Venice Baroque Orchestra unter Leitung seines Gründers Andrea Marcon ein raffiniert zusammengestelltes Programm mit Werken von Antonio Vivaldi, Giuseppe Tartini und Baldassare Galuppi. Der russisch-ungarische Solist Sergey Malov sorgte mit dem Violoncello da spalla für Überraschungsmomente. Das im Konzertsaal selten zu hörende Instrument (nicht zu verwechseln mit dem Violoncello piccolo!) wird in Brusthöhe wie eine Gitarre umgehängt. Die fünf Saiten streicht der Spieler jedoch mit dem Bogen. In Vivaldis Konzert für zwei Violoncelli g-Moll RV 531 und Tartinis Cello-Konzert A-Dur gewann man einen guten Eindruck von dem „Schultercello“, das recht ähnlich klingt wie sein großer Bruder. Malov zeigte sich auch an der Violine als Virtuose, etwa in den anspruchsvollen Solokadenzen in Vivaldis prächtigem „Großmogul“-Konzert D-Dur, das in mehreren Passagen orientalische Anklänge aufweist.
Kammermusik vom Feinsten – von Luigi Boccherini und Ludwig van Beethoven bis zu Anton Webern - spielten der Cellist Daniel Müller-Schott und die Pianistin Annika Treutler im historischen Rossini-Saal. Italienische Akzente setzten außerdem das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und sein Ehrendirigent Kent Nagano, die unter anderem Gioachino Rossinis Ouvertüre zu der Oper „Guillaume Tell“ und Ottorino Respighis – wiederum an Rossini angelehnte – Ballettsuite „Der Zauberladen“ nach Bad Kissingen brachten. In dem dank seiner Holzvertäfelung akustisch hervorragenden Max-Littmann-Saal interpretierte der polnische Pianist Rafał Blechacz Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert c-Moll KV 491 – reich an Nuancen, aber vielleicht eine Spur zu verkopft. Giuseppe Verdis berühmter „Zigeunerchor“ aus der Oper „Il Trovatore“ war einer der Höhepunkte des Symphonic Mob, an dem rund 600 Laienmusikern gemeinsam mit Nagano und DSO-Mitgliedern im Kurgarten mitwirkten. Im zweiten Konzertprogramm des Berliner Orchesters überzeugte der russische Pianist Roman Borisov – erster Preisträger beim Kissinger Klavier-Olymp 2022 – als Solist in Peter Tschaikowskis fulminantem Klavierkonzert Nr. 1. (cko, 13.7.2023)

Corina Kolbe, 03.06.2023, Online-Artikel



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