home

N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Startseite · Oper & Konzert · Pasticcio

Das Orchester selbst beatmen: Komponist und Dirigent Matthias Pintscher © Felix Broede

Pasticcio

Mit dem Ohr am Orchester

Was noch bis zu Gustav Mahler üblich war, ist mittlerweile eher die Ausnahme. Dass nämlich große Komponisten auch gute, sehr gute und bisweilen überragende Dirigenten sein können. Hans Zender, Heinz Holliger und nicht zuletzt Pierre Boulez haben es vorgemacht. Aber auch in der nachfolgenden Generation gibt es solche Doppelbegabten. Wie etwa Enno Poppe und George Benjamin. Und auch Matthias Pintscher und Jörg Widmann können längst nicht nur ihre Werke mit bedeutenden Orchestern aufführen. Nun werden beide als Dirigenten neue Aufgaben annehmen. Jörg Widmann wird ab der kommenden Saison Erster Gastdirigent bei der NDR Radiophilharmonie sein. Kollege Pintscher hingegen bleibt in seiner Wahlheimat USA und übernimmt ab dem Herbst 2024 das Amt des Chefdirigenten des Kansas City Symphony Orchestra.
Erst 1982 wurde dieses Orchester gegründet und lange von Michael Stern geleitet. Als man jetzt einen Nachfolger suchte, fiel die Wahl nach einem gemeinsamen Konzert im März direkt auf den gebürtigen Deutschen. „Ich hatte das Gefühl, dass wir uns schon lange kennen und musikalisch einfach da weitermachen, wo wir aufgehört hatten“, so Pintscher. „Das Kansas City Symphony Orchestra ist dynamisch, aufgeschlossen und neugierig und wurde bereits vom aktuellen Musikdirektor Michael Stern in Topform gebracht.“ Auf fünf Jahre ist die Zusammenarbeit zunächst geplant. Und wenngleich die musikalischen Aufgaben wesentlich breitgestreuter sein werden als noch beim Pariser Neue Musik-Ensemble intercontemporain, das Pintscher zehn Jahre lang geleitet hat, ist er natürlich auch im klassischen Repertoire mehr als nur sattelfest. Immerhin ist der gefeierte Komponist schon früh dem Orchesterapparat verfallen. Gerade mal 15 Jahre war er nämlich, als er in seiner Geburtsstadt Marl das Städtische Jugendsinfonieorchester dirigieren durfte. Und auf Anhieb war er fasziniert von „diesem physischen Umgebensein von Klang“, dass das Orchester zu seinem Lieblingsinstrument machte. Früh studierte er die großen Partituren von Debussy, Strawinski und Bartók. Entsprechend überhäufte er auch sein allererstes Orchesterstück gleich mit Notenbergen. Bis heute gilt diese „Jugendsünde“ zwar als unaufführbar. Aber für Pintscher spiegelt sich darin bereits eine seitdem stetig gewachsene Lust wider, das Orchester „selbst beatmen“ zu wollen. Wobei er noch hinzufügt: „Mein Denken als Dirigent ist entscheidend beeinflusst vom eigenen Komponieren, und umgekehrt.“
Ähnlich sieht es auch Jörg Widmann. Nur dass der Komponist Widmann von der Klarinette kommt. Aber mittlerweile ist der gebürtige Münchner auch ein vielgefragter Dirigent. So leitete er jahrelang das Irish Chamber Orchestra. Aktuell ist er nicht nur einer von gleich drei leitenden Dirigenten des Münchner Kammerorchesters. Ab 2023/2024 setzt er als Erster Gastdirigent seine Freundschaft mit den Musikern der NDR Radiophilharmonie fort. „Wir wollen die Musik unserer Zeit, auch meine Musik, mit den großen Meisterwerken der Vergangenheit neu und aufregend verbinden“, so Widmann über die gemeinsamen Pläne. Dazu werden dann nicht nur Mendelssohn und Beethovens Violinkonzert mit Widmanns Schwester Carolin Widmann gehören, sondern auch ein neues Trompetenkonzert, das er für Håkan Hardenberger geschrieben hat.

Guido Fischer



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Café Imperial

„La mère coupable“, so heißt die von Darius Milhaud 1966 uraufgeführte Fortsetzung der […]
zum Artikel

Blind gehört

Mark Padmore

„Ich bin auch ohne Opern […]
zum Artikel

Café Imperial

Unser Stammgast im Wiener Musiker-Wohnzimmer

Überragende Premieren warten noch, also schauen wird, was uns vom Sommer geblieben ist – außer […]
zum Artikel


Abo

Top