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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Brillant in jedem surrealen Detail: Gerald Barrys „Alice im Wunderland“ (c) Andreas Lander

Theater Magdeburg

Musik, die man sehen muss

Intendant Julien Chavaz bringt als Deutsche Erstaufführung die Oper „Alice im Wunderland“ des Iren Gerald Barry heraus.

Von der Uraufführungsproduktion der 55 Minuten kurzen Oper „Alice’s Adventures Under Ground“ schwärmte der Guardian „Brillant in jedem surrealen Detail“, aber im Trailer der Produktion bezeichnet eine Sängerin Barrys Partitur launig als „organisiertes Chaos“.
Der neue Magdeburger Intendant Julien Chavaz hat den 1952 in Irland geborenen Gerald Barry als Composer in Residence installiert, ein sinfonisches Werk in Auftrag gegeben und inszeniert nun selbst die turbulente „Alice“-Oper. Mit Barry verbinde ihn eine „privilegierte Beziehung“, wie Chavaz am Telefon erzählt. „2019 habe ich seine Oper „The Importance Of Being Earnest“ in der Schweiz und in Paris inszeniert, eine fantastische Oper! Er kam zur Premiere, und es war sozusagen Liebe auf den ersten Blick.“
Die „Alice“-Oper sah Chavaz in London und war so begeistert von der Premiere, dass er noch am gleichen Tag in die zweite Aufführung mit der Zweitbesetzung ging. Das sinfonische Auftragswerk von Barry ist in Magdeburg bereits über die Bühne gegangen. „Aber das Opernpublikum und das Konzertpublikum sind hier nicht die gleichen Leute. Das heißt, für das Opernpublikum ist seine Musik wieder neu. Ich weiß auch nicht, ob man sich an die Musik von Gerald Barry überhaupt gewöhnen kann? Die Oper jedenfalls ist so etwas wie eine 55-minütige Geisterbahn-Fahrt, es ist schockierende, groteske Musik.“
Auf der Webseite wird das Stück allerdings ab zehn Jahren empfohlen. Chavaz winkt ab: „Das ist eine Oper für alle! In London waren Kinder zwischen acht und zwölf Jahren total begeistert, und die Teenager mochten es, weil es voller Ironie ist. Andererseits ist der Text sehr metaphorisch, das ist dann wieder eher etwas für die Erwachsenen.“
Barrys Musik beschreibt Chavaz als originell, mit Effekt und Humor. „Das hat man nicht oft bei Neuer Musik.“ Für die Ausführenden sei seine Partitur extrem anspruchsvoll, man könne sehen und hören, wie stressig das Ganze sei. „Aber man hat Spaß daran, wie bei einem gefährlichen Sport. Diese Musik nur zu hören, macht wenig Sinn, man muss diese Musik sehen!“
Barrys verrückte zeitgenössische Oper wird in Magdeburg keine Eintagsfliege bleiben, Julien Chavaz hat sich für seine Intendanz vorgenommen, neben Repertoire-Stücken regelmäßig neue Werke zu präsentieren. „Für ein staatlich subventioniertes Haus ist das sehr wichtig. Es passiert viel zu selten, dass neue Opern nachgespielt werden und eine Karriere machen können. Wir brauchen mehr Neue Musik in der Opernsparte, sonst wird die Oper eine sterbende Kunstform.“
Außer in der Konzertsparte ist das Theater Magdeburg in Sachen Zuschauerauslastung inzwischen wieder auf dem Niveau vor der Pandemie. Chavaz will Magdeburg als Nachwuchstheater etablieren, eine kleine ästhetische Revolution durchsetzen und neue Kommunikationswege beschreiten. Damit ist Chavaz bislang ziemlich erfolgreich, zumal verglichen mit anderen Häusern, die mit ästhetischen Revolutionen das Publikum auch mal in die Flucht trieben. „Die Premiere ist schon fast voll. Das liegt daran, dass die „Alice“-Geschichte extrem populär ist.“

Weitere Infos und Tickets:
www.theater-magdeburg.de

Regine Müller, 20.05.2023, RONDO Ausgabe 3 / 2023



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