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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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L’arte del mondo

Lust auf Tellerrand

Entdeckungsfreudig und klassisch unterhaltsam: Werner Ehrhardt und sein Ensemble legen zwei neue Alben vor.

„Die ausgewählten Sinfonien haben alle etwas Humorvolles, sind witzig und überraschend – das passt einfach zur Kölner Mentalität“, schmunzelt Werner Erhardt. Und als wolle der gebürtige Domstädter unterstreichen, dass diese Feststellung weit mehr als schlichte Heimatliebe ist, fügt der Dirigent und Geiger noch hinzu: „Ich habe selten meine Musiker bei CD-Aufnahmen so gut gelaunt erlebt …“ Die fröhliche Stimmung muss also offenbar im Zusammenhang mit den ausgewählten Werken von Joseph Aloys Schmittbaur gestanden haben – Joseph Aloys wer?
Nicht nur Klassik-Liebhabern wird der vor mehr als 300 Jahren geborene Komponist und spätere Kölner Domkapellmeister, dessen „kölsche“ Sinfonien der Leiter und sein Ensemble l’arte del mondo nun aufgenommen haben, kaum bekannt sein – mag dieser auch im 18. Jahrhundert das Musikleben weit über den Rhein hinaus geprägt haben. „Bekannt ist eben immer nur ein bestimmter Ausschnitt aus der Musikgeschichte, den wir gerade im Blick haben“, stellt Ehrhardt fest. Vivaldi etwa, heute im Klassikleben allgegenwärtig, sei lange Zeit weitgehend vergessen gewesen – „seine große Renaissance hat dann in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts begonnen“. Nun also die Wiederentdeckung Schmittbaurs?
Werke genug hätte der 1809 in Karlsruhe verstorbene Komponist auf jeden Fall geschaffen: Singspiele, Kantaten, Lieder, Festmusiken, Stücke für Tasteninstrumente wie auch die von ihm selbst gebaute Glasharmonika – und eben mehr als 40 Sinfonien. Wobei jene aus seinen Kölner Jahren schon eine ganz besondere und sehr eigenständige Handschrift offenbaren: Statt mit dem seinerzeit populären Sonatenhauptsatzmodell „arbeitete er oft mit Reihungen von Themen, Motiven und Veränderungen und ließ so Großformen entstehen“, erklärt Ehrhardt. „Und seine B-Dur-Sinfonie beginnt lediglich mit Horn-Fanfaren – so etwas habe ich bisher noch nicht gesehen.“
Was im Falle des einstigen Gründers des auf historische Aufführungspraxis spezialisierten Concerto Köln dann doch aufhorchen lässt: Schließlich hat der 62-Jährige etliche Komponisten wiederentdeckt und blickt durch die Repertoire-Erweiterung seines heutigen Ensembles um Opern und Oratorien sowie Crossover-Projekte schon seit langem über den sinfonischen Tellerrand hinaus. Ein musikalischer Weitblick, der ihn vor nunmehr bald 20 Jahren auch L’arte del mondo initiieren ließ: „Setze dir ein Ziel und arbeite daran“, habe er sich damals gesagt – „und diese Vision ist in tolle Projekte gemündet.“ Vor allem hat die Entdeckerfreude bis heute nicht nachgelassen, wie auch ihr zweites in diesem Jahr erscheinendes Album offenbart: „Don Giovanni“ kennt jeder Liebhaber des Musiktheaters – doch der Opern-Schwerenöter aus der Feder Giuseppe Gazzanigas, der in fröhlichem Es-Dur gen Hölle fährt, dürfte bislang kaum einem Klassikfan begegnet sein. Ehrhardt hat die acht Monate vor Mozarts berühmtem gleichnamigem Stück uraufgeführte Oper im vergangenen Jahr für die Schwetzinger Festspiele ausgegraben und auch gleich eingespielt: „Durch solche Aufnahmen verändert sich unser Verständnis der Zeit und wir schaffen etwas Bleibendes über die einmalige Aufführung hinaus.“

Neu erschienen:

Joseph Aloys Schmittbaur

Sinfonien

L’arte del mondo, Werner Ehrhardt

dhm/Sony

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Erscheint im Herbst:

Giuseppe Gazzaniga

„Don Giovanni“

L’arte del mondo, Werner Ehrhardt

dhm/Sony

Christoph Forsthoff, 03.06.2023, RONDO Ausgabe 3 / 2023



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