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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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(c) Pau Fabregat

Roger Morelló Ros

Zurück zu den Wurzeln

Das Debüt-Soloalbum des Cellisten ist eine fulminante Hommage an sein Vorbild Pau Casals und die gemeinsame Heimat Katalonien.

Wie viele Musiker lebt auch Roger Morelló Ros meist aus dem Koffer. Gerade erst ist er aus Taiwan und Florida zurückgekommen. „Ich muss mich gleichzeitig von verschiedenen Jetlags erholen“, lacht er. Vor acht Jahren zog der Spanier nach Köln, wo er ein Studium an der Musikhochschule mit Auszeichnung abschloss. Seitdem ist der Cellist, der zahlreiche internationale Preise gewonnen hat, als Solist und Kammermusiker zumeist in Deutschland und Spanien unterwegs. Auch wenn er sich inzwischen als Weltbürger fühlt, hat er nie vergessen, woher er stammt.
Mit seiner ersten Solo-CD „The Voice Of Casals“ spürt Morelló Ros seinen kulturellen Wurzeln in Katalonien nach. Der große Cello-Virtuose Pablo – auf Katalanisch Pau – Casals (1876 – 1973) ist für ihn seit frühester Jugend ein Vorbild. „Geboren wurde er in El Vendrell, der Ort liegt ungefähr auf halbem Weg zwischen meiner Heimatstadt Reus und Barcelona“, erzählt er. „Casals war nicht nur ein hervorragender Cellist, sondern er hat auch dirigiert, komponiert und eine neue Spieltechnik für das Instrument entwickelt. Besonders wichtig ist mir aber, dass er sich als Humanist für den Weltfrieden eingesetzt hat.“
Auf dem neuen Album bringt Morelló Ros mit viel Kreativität ein facettenreiches Repertoire zusammen: einerseits Stücke, die eng mit Casals verbunden sind und zum anderen Auftragswerke zeitgenössischer Komponisten, die aus einer subjektiven Auseinandersetzung mit dem legendären Künstler und der Folklore Kataloniens entstanden sind. „Die Idee zu diesem Album kam mir während der Corona-Pandemie, als ich reichlich Zeit zum Nachdenken hatte. Mit dieser Musik möchte ich möglichst viele Menschen erreichen. Auch Casals war ja der Ansicht, dass Kunst der gesamten Gesellschaft zugutekommen sollte. “
Johann Sebastian Bachs „Suiten für Violoncello solo“, die heute zu den meistgespielten Solostücken für Streichinstrumente zählen, haben erst dank Casals im 20. Jahrhundert den Weg in die Konzertsäle gefunden. Morelló Ros hat für das Album die Sarabande-Sätze aus den Suiten Nr. I, II und IV aufgenommen. „Ich wollte die Suiten nicht wie üblich durchspielen, sondern einzelne Teile zu anderen Kompositionen in Kontrast setzen. Dadurch bekommen wir die Chance, alles aus einem neuen Blickwinkel zu sehen.“

Süßer Vogel Freiheit

Das Album beginnt mit einer Cello-Suite von Casals’ Schüler Gaspar Cassadó, der in Paris Komposition bei Maurice Ravel studierte. „Diese Komposition ist von Folklore durchdrungen. Der zweite Satz ist eine Sardana, ein typischer katalanischer Volkstanz. Im dritten Satz meint man sogar Kastagnetten und eine Gitarre zu hören.“ In die Zeit von Bach führt „Les voix humaines“ des Franzosen Marin Marais. Morelló Ros, der sich dadurch zu dem Titel seines Albums inspirieren ließ, spielt das ursprünglich für Viola da Gamba komponierte Werk in einer eigenen Cello-Bearbeitung.
Wie heutige Komponisten mit dem Erbe von Casals umgehen, zeigen zwei von Morelló Ros selbst in Auftrag gegebene Stücke von Marc Migó und Elisenda Fábregas, die beide auch aus Katalonien stammen. In seine „Variationen über den Namen Casals“ lässt Migó unterschiedlichste musikalische Zitate einfließen. Ausgangspunkt ist das Präludium aus Bachs Suite Nr. 1 in G-Dur. Im zweiten Satz „Sardana-Quodlibet“ finden sich etwa Anklänge an die Siebte Sinfonie von Ludwig van Beethoven, die Casals mit seinem Orchester in Barcelona aufführte, sowie Bezüge zu Leonard Bernsteins „America “, Franz Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ und zu Cassadó.
Nicht fehlen darf hier außerdem das berühmte Motiv aus dem „Gesang der Vögel“, den Morelló Ros auf dem Album auch in Gänze interpretiert. Der bekennende Antifaschist Casals spielte das traditionelle katalanische Volkslied bei allen Konzerten, die er ab 1939 im Exil gab, um damit ein Zeichen für Frieden und Hoffnung zu setzen. Von Frankreich aus half er Flüchtlingen, die dem Franco-Regime entkommen wollten. „Was gibt es wohl Friedlicheres als einen Vogel, der singt?“ meint Morelló Ros. „Dieses Stück kenne und liebe ich schon seit meiner Kindheit, es ist bei uns sehr bekannt.“
Elisenda Fábregas, die schon mehrere Werke für den Cellisten geschrieben hat, sucht wie Morelló Ros in unserer globalisierten Welt bewusst nach den eigenen Wurzeln. „In ihrer Komposition ‚Danses de la terra‘ verarbeitet sie persönliche Erinnerungen an ihre Jugend in Katalonien. Mit 15 Jahren ging sie zum Studieren in die USA“, sagt Morelló Ros. „Danach lebte sie lange in Südkorea. Dort sind die ‚Tänze der Erde‘ entstanden, sie erzählt darin ihre eigene Geschichte.“ Als Interpret wird auch der Cellist zum Geschichtenerzähler, der solche Erinnerungen auf seine Art lebendig hält.

Neu erschienen:

Roger Morelló Ros: „The Voice Of Casals” – ibs Classical/Naxos

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Corina Kolbe, 06.05.2023, Online-Artikel



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