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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Ein Frühlingsrausch des Kunsterwachens – auch für die Jüngsten: Die Kunst-Tanz-Performance Plock! (c) Bart Grietens

Bergen International Festival

Frühlingsrausch im hohen Norden

Das norwegische Festival reizt mit programmatischer Offenheit, skandinavischem Flair und dem Charme der Spielorte.

In Norwegen kommt der Frühling später im Jahr, dann aber mit ganzer Macht. Die alte Hansestadt Bergen liegt zwar am wärmenden Golf-Strom und ist weitaus milder temperiert als weniger privilegierte Orte in Norwegen, dennoch herrschen hier gegen Ende Mai, wenn seit nunmehr siebzig Jahren das Bergen International Festival eröffnet, manchmal noch fröstelnd machende Temperaturen. Immer wieder aber scheint beim größten Mehrspartenfestival Skandinaviens der Frühling gleich in den Sommer überzugehen. Die Stimmung ist dann gelöst und heiter, aber eben nicht mediterran, denn das Licht ist hier so klar, das Grün so satt wie nirgendwo und die Möwen kreischen dazu mit nordischer Entschiedenheit. Alles blüht gleichzeitig, die Nächte sind hell, eine Vorahnung der weißen Nächte, es herrscht eine gehobene, feierlich aufgekratzte Stimmung.

Gerade recht für ein Festival, das immer schon als Frühlingsrausch konzipiert war, als explosionsartiges Erwachen aus langer, regenreicher – Bergen ist die Regenhauptstadt Europas! – Winterstarre. Das 1953 gegründete Internationale Festival von Bergen ist nach wie vor das Flaggschiff der Musik- und Theaterfestivals in den nordischen Ländern und wird auch gern als „Salzburg des Nordens“ apostrophiert. Was ziemlicher Unsinn ist, denn erstens sind weder die Berge und atemberaubenden Fjorde der norwegischen Stadt zu vergleichen mit der Salzkammergut-Landschaft, und zweitens ist das Bergen Festival programmatisch ungleich breiter aufgestellt als das weltweit größte Klassik-Festival, nämlich mit Folk-Music und Open-Air-Formaten, viel experimentellem Theater, Pop-up-Oper, Tanz, Neuem Zirkus, Performance und junger zeitgenössischer Kunst. Von mangelndem Promi- und Glamourfaktor beim eher lässigen Bergen Festival einmal ganz abgesehen. Dafür bietet Bergen einzigartige Veranstaltungsorte, darunter das Wohnhaus des Komponisten Edvard Grieg, das so authentisch wirkt, als sei der Komponist gerade eben runter zum Wasser in sein Komponierhäuschen gehuscht. Auch die 750 Jahre alte königliche Halle Håkonshalle ist ein besonders auratischer Ort, ganz zu schweigen von Open-Air-Spielorten wie etwa der Bergbahn in lockenden Frühlingsnächten.

Im letzten Jahr hat der Komponist und Kulturmanager Lars Petter Hagen die künstlerische Leitung des Festivals übernommen und Star-Sopran Lise Davidsen als Residenzkünstlerin eingeladen: Sie wird in Bergen als Tosca debütieren und während des gesamten Festivals bei mehreren Konzerten in Erscheinung treten, u.a. mit einem Liederabend mit dem Pianisten James Baillieu, der Sopran-Partie in Verdis „Requiem“, daneben gibt sie einen Meisterkurs und kuratiert ein eigenes Konzert.
Der renommierte norwegische Theaterautor Jon Fosse wird mit „Inside the Black Forest“ ein neues Stück zur Uraufführung bringen. Aus Deutschland reist die Akademie für Alte Musik Berlin mit der Geigerin Isabelle Faust an. Eröffnet wird das Festival mit dem Projekt „What Is the City but the People?“: Auf einem gelben, 60 Meter langen Laufsteg flanieren etwa 150 bekannte und unbekannte Personen und Gruppen aus Bergen, die mit Fotos und einer kurzen persönlichen Geschichte vorgestellt werden. „Internationale Künstler werden mit einem lokalen künstlerischen Team und großartigen Vertretern der verschiedenen Seiten der Stadt verbunden. Alles zusammen wird ein berührendes Porträt dessen, was wir sind", sagt dazu Festivalchef Lars Petter Hagen.

Bergen International Festival

24. Mai – 7. Juni 2023
www.fib.no

Regine Müller, 08.04.2023, Online-Artikel



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