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Patricia Kopatchinskaja (c) Julia Wesely
Geigerin Patricia Kopatchinskaja, bekannt für ihren ekstatischen, bewusst freien Interpretationsstil, fühlte sich zu Anfang ihrer Karriere „oft angegriffen“. Das sagte sie zu Hause in Bern. Angegriffen wofür? „Dafür, anders zu sein. Das ist ja immer falsch. Ich wurde angegriffen dafür, dass ich von dem scheinbaren Ideal abwich, alles genau so zu spielen, wie man es gewohnt ist.“ Sie glaube nicht an das Dogma bloßer Notentreue oder an Perfektionismus. „Es sind überhaupt keine Ideale“, so Kopatchinskaja. „Fehlerlosigkeit mag eine Grundlage sein, aber nicht das Ziel.“ Inzwischen wird sie für genau diese Auffassung geschätzt. „In den letzten Jahren“, so Kopatchinskaja, „ist es besser geworden“.
Schauspieler Stefan Kurt, Star von „La cage aux folles“ an der Komischen Oper Berlin, glaubt, dass man auf der Bühne immer etwas zurückhalten und zurückbehalten müsse. „Das habe ich von Robert Wilson gelernt: ‚Never give your 100 %!‘“ Man dürfe niemals an seine Grenzen gehen. Das sei zwar paradox, weil man denken könnte, erst dann wird es für die Zuschauer interessant. „Stimmt aber nicht. Sobald ich mein Limit merke, wirke ich angestrengt.“ Vorbehalte anderer Schauspieler, den schwulen Albin in dem Musical von Jerry Herman zu spielen, habe er nicht gehabt. „Dafür ist es bei mir schon zu spät. Mein Outing habe ich längst hinter mir.“
Sherrill Milnes (88), meistgebuchter dramatischer Bariton der Stereo-Ära, glaubt, dass er durch geschicktes Kopieren zum Ziel kam. „Ich war ein Schwamm“, so Milnes in seinem Haus in Florida. Er „habe von allen dasjenige zu nehmen versucht, was ich nur kriegen konnte“. Dabei habe er zu berücksichtigen versucht, „dass man nicht einfach blind imitiert“, so Milnes. „Man muss zuvor analysieren und interpretieren. Also alles auf die eigenen Mittel anwenden.“ So brachte er es zu den wichtigsten Bariton-Rollen in vielen der bedeutendsten Verdi-Gesamtaufnahmen überhaupt, so in „La traviata“ unter Carlos Kleiber, „Don Carlo“ unter Carlo Maria Giulini, „Andrea Chénier“ neben Plácido Domingo und „Il trovatore“ neben Leontyne Price.
Alte Musik-Dirigent René Jacobs, diesjähriger Empfänger des Oper! Awards für sein Lebenswerk, bedauert nicht, dass er so wenig mit den großen Stars der Oper zusammenarbeitet. „Ich habe nichts gegen Stars“, so Jacobs bei der Preisverleihung in Dortmund. „Ich arbeite nur lieber mit den Stars von morgen.“
Sopranistin Anna Pirozzi, derzeit führend im Bereich italienischer ‚Killer-Partien‘ wie Turandot, Abigaille und den Verdi-Leonoren, singt in diesem Jahr Aida in der Arena di Verona, hält den Ort aber für gefährlich. „Die Arena di Verona ist ein schöner, aber auch ein sehr schwieriger Ort für alle Sänger. Denn man hört sich selber nicht. Also versucht man, mehr zu geben als man hat.“ Man habe in Verona „nur eine Chance: so zu tun, als singe man in einem geschlossenen Theater.“ Dann lohne es sich. „Wenn 14 000 Leute im Publikum ausrasten, kriegt man einen emotionalen Höhenflug, wie man ihn nirgendwo anders haben kann.“ Auch einige Werke hält Pirozzi für riskant. „Turandot kann eine Stimme ruinieren“, so Pirozzi. „Puccini, das stimmt, ist molto brisante.“
Pianist Rafał Blechacz, wichtigster Chopin-Spieler der jüngeren Generation, glaubt, dass weniger große Hände von Vorteil sein können. Er selbst habe „keine Pranken. Und recht dünne, aber doch lange Finger.“ Bei Chopin habe es ähnlich ausgesehen. „Es hilft bei delikaten Stellen. Im mittleren Satz des 2. Klavierkonzertes von Chopin etwa wären dicke Finger im Weg.“ Mit großen Händen sei es zwar leichter, Nonen oder Dezimen zu greifen. „Aber weich und schnell zu spielen, das fällt schwer.“ Zurückhaltend sei er dagegen bisher vor allem bei den Walzern und Mazurken von Chopin gewesen. „Ich habe keine Tanzstunde gehabt“, so Blechacz in Berlin. „Bei mir reicht es höchstens für eine Polonaise“, so Blechacz. „Hinten anstellen, das kann ich.“
Kai Luehrs-Kaiser, 15.04.2023, RONDO Ausgabe 2 / 2023
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