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RONDO: Auf dem Cover-Photo Ihrer neuen Schubert-CD fliegen Sie wie ein Weitspringer durch die Lüfte. Körperlich scheinen Sie ziemlich gut in Form zu sein. Gehen Sie etwa ins Fitness- Center?
Pablo Heras-Casado (lacht): Nein – meine Fitnessbude besteht aus Dirigieren und Reisen. Das hält mich wirklich fit.
RONDO: Man könnte das Photo auch als Versprechen sehen, dass Sie mit Schubert in die Zukunft fliegen wollen …
Heras-Casado: So habe ich das noch gar nicht gesehen. Aber es stimmt. Das Freiburger Barockorchester und ich sind sehr stolz, diesen ersten Schubert-Schritt gemeinsam gegangen zu sein. Und tatsächlich wollen wir diesen Flug fortsetzen und das Universum von Schubert weiter erkunden. Wobei Schubert nur ein Teil unserer romantischen Reise sein wird. Parallel widmen wir uns auch intensiv Mendelssohn Bartholdy und Schumann.
RONDO: Nun haben Sie sich für den Schubert-Startschuss mit den Sinfonien Nr. 3 & 4 Werke ausgesucht, die schon Brahms als allzu leichtgewichtig abgetan hat.
Heras-Casado: Im Rahmen von Schuberts Beschäftigung mit der sinfonischen Form empfinde ich sie als sehr abwechslungsreiche und kontrastreiche Statements. Und sie stehen für zwei verschiedene Seelen. Die Dritte kommt sehr fließend und schön daher. Man hört ihr Schuberts ungemeinen Spaß, seinen Optimismus und seine Freude am Leben an. Die Vierte hingegen zeigt ihn bei der motivischen Arbeit nicht nur kämpferisch. Gerade die Tonart c-Moll verweist da auf den Einfluss Beethovens. Es ist sehr interessant, sich mit diesen beiden unterschiedlichen Welten auseinanderzusetzen.
RONDO: Sie gelten ja als umfassend gebildeter Dirigent, dessen Spektrum von der Alten bis zur Neuen Musik reicht. Können Sie sich erklären, warum Schuberts Musik gerade bei zeitgenössischen Komponisten wie Dieter Schnebel und Jörg Widmann so hoch im Kurs steht?
Heras-Casado: Ich glaube, der Grund dafür ist Komplexität seiner Gefühle. Mendelssohns Musik ist eher gerader, unverblümter, brillanter. Er deckt nahezu alle seine Karten auf. Schubert macht das nicht. Bei Schubert kann man verschiedene Seelen und Universen entdecken. Diese Komplexität, die etwa auch Alban Bergs Musik besitzt, mag darüber hinaus etwas von unserer ebenfalls komplexen Welt widerspiegeln. Daher ist Schubert ist vielleicht uns bzw. zeitgenössischen Komponisten so nahe.
RONDO: Neben Ihren Engagements bei den Top-Orchestern dirigieren Sie regelmäßig Neue Musik- Spezialistenensembles wie das Klangforum Wien. Mit dem FBO haben Sie dagegen ein auf die historische Aufführungspraxis abonniertes Musikerteam geleitet. Müssen Sie sich immer wieder neu auf die unterschiedlichen Musiksprachen und Klangkörper einstellen?
Heras-Casado: Das FBO und ich kannten uns schon von einem Konzert her, bei dem wir Bach und Haydn gespielt haben. Schubert ist aber tatsächlich unsere erste wichtige Zusammenarbeit. Ich bewundere das Orchester, das ja längst Maßstäbe in der Historischen Aufführungspraxis gesetzt hat. Aber grundsätzlich ist der Spagat zwischen der Alten und Neuen Musik für mich völlig natürlich. Ich fühle mich in beiden Welten heimisch. Ich habe ja bereits als 17-Jähriger ein Ensemble für Alte Musik gegründet. Und der Atem und der Stil dieser Musik sind mir genauso vertraut wie die Neue Musik, mit der ich mich bald danach beschäftigt habe. Heute ist es daher für mich so, als wenn jemand eine französische Mutter und einen deutschen Vater hat: Man bewegt sich in zwei Kulturen, ohne dies bewusst zu machen.
Guido Fischer, 14.09.2013, RONDO Ausgabe 4 / 2013
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