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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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(c) Marco Borggreve

Sonja Leutwyler

In der Schönheit der Nacht

Die Schweizer Mezzosopranistin eröffnet ihrem warm timbrierten Gesang neue Streicher-Farben und Schattierungen.

Zu viel der Farben und Stimmen? „Nein, keineswegs“, widerspricht Sonja Leutwyler vehement. „Gerade durch diese beiden Instrumente kommen hier weitere Klangmomente hinzu, vermögen Geige und Cello doch insbesondere bei den leisen Liedern noch ganz andere Stimmungen, Tiefen und Farben hinzuzufügen.“ Mag der Liedgesang gemeinhin auch als Hochamt der klassischen Musik gelten, das neben dem Sänger lediglich noch Raum für den begleitenden Pianisten lässt: Die Schweizer Mezzosopranistin ficht voller Leidenschaft für neue Töne in dem Genre und legt nach ihrer „Hymne an die Schönheit“ vor fünf Jahren nun erneut ein Lied-Album vor, dessen Gesänge durch die Kombination mit den Streicherfarben eher wie kleine, feine Kammermusiken dünken.
Der (Publikums-)Erfolg ihres ersten, mit dem Pizzicato Supersonic Award ausgezeichneten Album habe sie in ihrer Entscheidung für diese Werkauswahl jenseits des üblichen Lied-Repertoires bestätigt. „Wir hatten von unserer damaligen Suche noch so viele wunderbare Stücke“, erzählt die groß gewachsene Frau mit dem warmen Lachen. „Und als ich mir diese näher angeschaut habe, stellte ich fest, dass selbige fast alle mit der Nacht zu tun haben – da lag die Auswahl nahe.“ Zumal sie selbst eine „Nachteule“ sei und diese dunkle Zeit des Tages schon seit der Kindheit liebe, als das kleine Mädchen fasziniert in den Sternenhimmel geschaut habe, wie sie sich schmunzelnd erinnert: „Die Nacht hat für mich etwas Mystisches, Verborgenes und Geheimnisvolles.“
„Secret Nights“ eben – und so war denn der Titel für diese ganz persönliche Lieder-Sammlung von Carl Reinecke bis Lili Boulanger auch rasch gefunden. Samt der kleinen Wunsch-„Zugabe“ zweier Uraufführungen: Der Deutsch-Iraner Arash Safaian hat für die Aufnahme zwei Gedichte Else Lasker-Schülers vertont – „ich fühle mich von ihrer Sprache sehr berührt und bin immer wieder fasziniert, wie man mit so wenigen Worten so viel sagen kann“. Natürlich textlich passend „Zur Nacht“, vor allem aber in ihrer lyrisch-innigen, leicht düsteren Grundstimmung. Doch auch über diese völlig neuen Kleinode hinaus bietet das Album Gelegenheit für Entdeckungen – wer hat(te) schon zuvor Lieder von den Spätromantikerinnen Cécile Chaminade und Amy Beach gehört? „Mir war es wichtig, Komponistinnen Gehör zu verschaffen“, beschreibt Leutwyler eine ihrer Motivationen zur sängerischen Trüffelsuche.
Eine andere liegt in ihrem eigenen Werdegang: Wie ihre drei Jahre jüngere Schwester Astrid hatte nämlich auch die kleine Sonja einst mit der Violine angefangen – „da ich die größere war, entschied unser Geigenlehrer dann, dass ich zur Bratsche wechsle, was mir auch wahnsinnig gut gefallen hat“. So gut, dass die junge Frau sogar in Zürich und München Viola und Gesang parallel studierte – bis eines Tages ihr Bratschenprofessor nach einem Auftritt zu ihr sagte: „Ich sage es ungern, aber du musst singen.“ Was die heute 41-Jährige seither tut – nicht ohne indes ihrer insgeheimen Liebe zur Kammermusik weiter zu frönen. Im Idealfall eben als Sängerin.

Neu erschienen:

Lili Boulanger, Amy Beach, Cécile Chaminade, Arash Safaian u.a.

„Secret Nights“ (Lieder)

Sonja und Astrid Leutwyler, Benjamin Engel, Benjamin Nyffenegger

Solo Musica/Naxos

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Christoph Forsthoff, 25.03.2023, RONDO Ausgabe 2 / 2023



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