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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Quatuor Ébène, Antoine Tamestit (c) Julien Mignot

Quatuor Ébène

Surfen auf den Wellen des Klangs

Das französische Quartett und Bratschist Antoine Tamestit haben zwei Streichquintette von Mozart eingespielt.

Mozarts Verleger bewarb dessen Streichquintette seinerzeit mit den bescheidenen Worten „schön und korrekt geschrieben“, womit er entweder einen verqueren Sinn für Ironie oder bestürzende Ahnungslosigkeit unter Beweis stellte. Denn Mozarts Streichquintette gelten als Gipfelwerke der Kammermusik, unerreicht in ihrer Dichte und Konzentration.
Das Quatuor Ébène verbindet mit Mozarts Quintetten eine lange Geschichte. Wir treffen uns am Rande einer Tour im Frühstücksraum eines Hotels nahe des Wiener Konzerthauses, wo das Quartett eine Residenz innehat. Primgeiger Pierre Colombet und der zweite Geiger Gabriel Le Magadure sind Mitglieder der ersten Stunde, der fünfte im Quintett-Bund, Bratscher Antoine Tamestit, ist ein alter Freund, wie Magadure berichtet: „Wir haben im gleichen Jahr den ARD-Wettbewerb gewonnen wie Antoine und bereits damals entstand eine besondere Freundschaft. Wir machten dann die übliche ARD-Tour und haben zum ersten Mal das g-Moll-Quintett mit ihm gespielt. Wir entdeckten diese unglaubliche Musik also gemeinsam, niemand anderes wäre für die Einspielung der Quintette – wir werden alle sechs aufnehmen – infrage gekommen.“
Die beiden für das erste Album ausgewählten Quintette in C-Dur und g-Moll verbinde das gleiche Niveau der kompositorischen Perfektion, so Magadure. „Sie sind Brüder, sie stehen im Köchelverzeichnis direkt nebeneinander, aber sie sind wie Yin und Yang“, sagt ­Pierre Colombet. Vor allem das g-Moll-Quintett sei sehr opernhaft, man spüre die Nähe zum „Don Giovanni“, an dem Mozart zeitgleich arbeitete, sagt Magadure. Und, was erstaunt – vermutet man doch bei einem eingeschworenen Streichquartett einen „Störeffekt“ durch eine fünfte Stimme – das Ergänzen der Viola sei sogar noch eine qualitative Steigerung: „Angeblich erreicht das Streichquartett die beste Balance von gleichberechtigten Stimmen, aber Mozarts Genie schafft es, die Intensität zwischen den Stimmen im Quintett noch zu steigern.“
Pierre Colombet ergänzt: „Jede Stimme hat etwas zu sagen. Es ist einfach fantastisch, es gibt nie nur ausfüllende Harmonien oder rhythmische Begleitformeln. Der erste Satz des ­g-Moll-Quintetts ist für mich die ideale Art von musikalischem Dialog zwischen zwei Instrumenten, es ist pure Konversation und perfekte Polyphonie. Mozart erreicht hier die höchste Perfektion, mehr Dichte ist nie wieder erreicht worden, auch nicht von Beethoven.“
Gabriel Le Magadure findet das Mozart-Quintett-Spiel dennoch einfacher: „Zu viert ist es schwer, einen Kompromiss zu finden. Aber mit fünf gibt es so etwas wie einen natürlichen Kontrapunkt der Entscheidungen. Und die zweite Viola hilft dem Klang.“ Dem pflichtet Colombet bei: „Quartett ist das schwierigste, das Quintett ist viel wärmer, cremiger, man kann surfen auf den Wellen des Klangs.“
Dabei hatte der Primgeiger lange Zeit ein gebrochenes Verhältnis zu Mozart, empfand seine Kompositionen als „happy music“, belanglos, repetitiv. „Aber jetzt, warum zur Hölle, bin ich absolut fasziniert. Mozart ist ein Mirakel, niemand schafft es wie er, in Dur so traurig zu sein.“
Das Quatuor Ébène hat auch reiche Erfahrungen mit Jazz und Improvisation gesammelt. Angesichts einer Mozart-Einspielung drängt sich die Frage auf, wie viel Freiheit Mozart erlaubt? „Es gibt bei Mozart häufig ein Innehalten, als würde jemand etwas für sich denken, oder an die Seite flüstern, das sind Momente der Freiheit“.

Neu erschienen:

Wolfgang Amadeus Mozart

Streichquintette Nr. 3 C-Dur und Nr. 4 g-Moll

Quatuor Ébène, Antoine Tamestit

Erato/Warner

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Regine Müller, 25.03.2023, RONDO Ausgabe 2 / 2023



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