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(c) Felix Broede
Hammerklavier-Sonate abwärts?! Das ist ja wirklich ein Hammer. Aus „natürlicher Unbescheidenheit“, so Igor Levit, habe er die fünf letzten Beethoven-Sonaten für sein Sony-Debüt ausgewählt. Er weiß, was er zu verlieren hat. Denn schon mit Anfang 20 wurde dieser Pianist von Eleonore Büning als „Jahrhundertpianist“ angepriesen.
Er verdankt das dem isländischen Vulkan Eyjafjallajökull. Als dieser im März 2010 ausbrach und den Flugverkehr auf internationalen Routen blockierte, befand sich Levit in Jinan/ China. Er kam nicht raus. ‚Wenn ich schon da bin, kann ich auch weitere Konzerte geben’, sagte er sich. Besagte Journalistin saß gleichfalls fest und besuchte ein Konzert nach dem andern. „Dieser junge Mann hat nicht nur das Zeug, einer der großen Pianisten dieses Jahrhunderts zu werden“, schrieb sie anschließend in der Frankfurter Allgemeinen. „Er ist es schon.“
Der Jungspund mit der Harold Lloyd-Brille, lachlustig und kraftmeierisch unbeschwert, ist heute 26 Jahre alt, wirkt indes reifer. Seine Herkunft aus dem lieblichen Nischni Nowgorod (ehemals Gorki), wo sich Oka und Wolga gute Nacht sagen, weist ihn als echten Russen aus. Die Familie verließ Russland 1995. Ausbildungsgründe sprachen für Hannover, dort fand Levit seinen Klavierlehrer Vladimir Krainev.
Schon im Alter von drei Jahren hatte er ersten Klavierunterricht von seiner Mutter erhalten, einer Opern-Korrepetitorin. Deren Lehrerin Berta Marantz hatte bei Heinrich Neuhaus, dem Lehrer von Swjatoslaw Richter und Emil Gilels, gelernt.
„Die diplomatische Antwort, ob es etwas Russisches in meinem Spiel gibt, lautet: vielleicht“, so Levit. „Die ehrliche Antwort lautet: Ich weiß es nicht.“ Sein Spiel zeugt von Strukturbewusstsein, von Reserven und von Kantabilität ohne Sentimentalität. Kein Rubato-Schinder. Kein Gefühls-Bademeister. Sondern ein auf Willenskraft und Langstreckenkünste geeichter Marathon-Spieler. Der nicht zufällig Beethovens endlose Diabelli- Variationen als sein Erkennungsstück wählte. Schon als er 15 war, gab ihm sein zweiter Lehrer, Karl-Heinz Kämmerling, den späten Beethoven in die Hand.
Seine Solistenkarriere begann mit vier Jahren, das Debüt mit Orchester folgte mit sechs. „Wer das auf Youtube stellt, kriegt´s mit mir zu tun!“, lacht er. „Für Kontaktlinsen bin ich zu eitel“, so Levit außerdem. Er gibt zu, dass er zwar Noten ohne Brille lesen kann – aber das Publikum nicht gerade scharf sieht, wenn er auftritt. Noch etwas: „Ich habe 32 Kilo abgenommen“, so Levit. In soliden eineinhalb Jahren. Dank Schwimmen, Fahrrad, Fitness, Inline-Skating. Sogar Boxen! „Es hat alles verändert!“, so Levit über den Gewichtsverlust. „Im Sitz. Im Gefühl. Im Bewusstsein für den Anschlag.“
Denn der Anschlag, so Levit, hänge vom Sitz ab. So liefert die Radikal-Diät des Igor Levit nebenbei eine Erklärung dafür, warum es in der Geschichte des Klaviers so wenig übergewichtige Pianisten gab. Außer Lazar Berman und Yefim Bronfman fallen einem nicht viele ein. Auch das Rätsel um den fehlenden Bauch des Pianisten ist also gelöst. Und Levit spielt seinen Beethoven lieber drahtig, energetisch – und schlank.
Robert Fraunholzer, 14.09.2013, RONDO Ausgabe 4 / 2013
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