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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Dem Klang der Natur lauschen: Die Chapel of Sound © Jonathan Leijonhufvud

Pasticcio

Einmal tief durchatmen

Anne-Sophie Mutter ist sauer. Aber so richtig. Auf wen? Auf drei bayerische Landesfürsten. Ihre Namen sind Edmund Stoiber, Horst Seehofer und Markus Söder. Diesen ehemaligen und amtierenden Ministerpräsidenten wirft die Stargeigerin vor, im Fall eines für München überfälligen, neuen Konzerthauses ihr Wort gebrochen zu haben – und zwar „fröhlich pfeifend“, so Mutter gerade in einem Podcast des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Die Wahl-Münchnerin sieht nämlich keine großen Anstrengungen, dass das versprochene und längst in Planung befindliche Konzerthaus wirklich irgendwann einmal realisiert werden würde. Eine Befürchtung, die angesichts möglicher explodierender Kosten durchaus nicht von der Hand zu weisen sein dürfte. So kursiert mittlerweile die Baukostensumme von einer Milliarde Euro! Das Feedback auf Mutters Wutrede kam denn auch prompt aus der Politik. So ließ Kunstminister Markus Blume schriftlich mitteilen: „Ich verstehe die Aufregung nicht. Persönlich würde ich mir etwas mehr Gespür für das wünschen, was die Menschen im Moment wirklich an Nöten bewegt. Im Übrigen laufen die Planungen für das Konzerthaus ja weiter. Aber es muss gleichzeitig erlaubt sein zu überlegen, wie man in diesen Zeiten verantwortungsvoll Prioritäten setzt.“
Und weil Anne-Sophie Mutter gerade einmal so schön in Fahrt war, knöpfte sie sich die als Übergangslösung längst in Betrieb genommene Isarphilharmonie vor. Als einen Witz empfindet sie die Räumlichkeiten. „Die Solistengarderobe hat wohl so um die sechs Quadratmeter, da steht ja noch nicht mal ein normales Klavier. Ich weiß nicht, wie ein großer Pianist rausgehen kann, um dann mit Tschaikowski oder Rachmaninow oder was auch immer ein Konzert zu beginnen. Dann finden sich noch irgendwelche Räume zwischen Klo und Keller, in denen sich hunderttausende Orchesterkollegen irgendwie und irgendwann umziehen – oder sich nie einspielen können.“
Was sich Mutter überhaupt wünscht, ist große aufregende Architektur. Wie etwa in Los Angeles, wo Frank Gehry die Walt Disney Hall geschaffen hat. „Die Leute klettern die Disney Hall rauf und runter weil’s ein aufregendes Gebäude ist und gehen am Abend ins Konzert.“
Das ist im Übrigen aber nicht nur schon jetzt bei der Hamburger Elbphilharmonie möglich, sondern auch in der chinesischen Provinz Heibei. Dort nämlich gibt es seit 2021 die Konzerthalle „Chapel of Sound“, die wegen ihrer einzigartigen Architektur 2022 von den Lesern des Branchenportals archdaily.com zum „Building of the Year“ gekürt wurde. Zwei Stunden von Peking entfernt, liegt diese archaisch anmutenden „Kapelle des Klangs“ in einem Bergtal und mit sagenhafter Aussicht. Auf einer Fläche von 790 Quadratmetern hat das chinesische Architekturbüro OPEN ein halboffenes Labyrinth aus Bühne, Aussichtsplatteformen, Wendeltreppen und Proberäumen erbaut, das nicht nur über eine exzellente Akustik verfügen muss. Wenn mal kein Konzert stattfindet, kann man in dieser Kapelle einfach nur dem Klang der Natur lauschen. Über ihre Kosten ist zwar nichts bekannt. Aber unter Garantie lagen sie unter einer Milliarde Euro.

Guido Fischer



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