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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Thomas Hampson (c) Jiyang Chen

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Star-Bariton Thomas Hampson befürchtet, dass das Aussehen beim Singen immer wichtiger wird. „In Wettbewerben zum Beispiel wird zu stark darauf geachtet. Ich bin da anders“, so Hampson. „Ich höre erst. Und ich sehe nach.“ Immerhin habe sich die Arbeit mit jungen Sängern verändert. „Junge Sänger heute wissen nicht richtig, wie viele Rippen sie haben, wo die Wirbelsäule sich befindet und wie der Lungensack funktioniert.“ Das müsse man aber wissen. Und zwar: „Für die Stütze“, so Hampson. „Singen ist nicht einfach ein Atemstrom. Als guter Sänger kannst du vor einer Kerze singen, ohne dass sie ausgeht. Das bringt der Rippenkäfig zustande. Oben ist Luft, unten ist die Verdauung. Die Muskelspannung dazwischen müssen wir halten.“ Um währenddessen einigermaßen anbietbar auszusehen, habe er eigentlich nur einen Tipp: „Zieh dich einigermaßen gut an, putz dir die Zähne und fuchtel nicht mit den Armen herum. Der Rest findet sich.“

Violinistin Carolin Widmann glaubt, „dass wir Geiger weniger intellektuell sind als die Pianisten. Wir müssen zu viel üben“. Das sagte Widmann bei einem Interview in Berlin. „Das Geigenspiel ist so zeitaufwendig, dass wir sogar beim Partiturstudium sparen müssen, sonst werden wir gar nicht fertig. Das klinische Runterdeklinieren von Musik, das ich furchtbar finde, kommt so gar nicht erst auf.“ Nicht auf Perfektion oder Sauberkeit müsse man achten, sondern darauf, sich vollkommen und schutzlos zu exponieren. „Das ist genau jene Verletzlichkeit, auf die es ankommt. Erst da, wo man Schwächen zeigt, fängt die Kunst an.“

Sherrill Milnes (88), erfolgreichster Verdi­Bariton der 60er bis frühen 80er Jahre, war in fast allen Aufnahmen mit Leontyne Price, Montserrat Caballé und Joan Sutherland mit dabei. Das habe daran gelegen, dass er „ein guter Schwamm“ gewesen sei. „Ich habe immer von allen übernommen und kopiert, was ich brauchen konnte“, so Milnes zuhause in Florida. „Die Baritöne der damaligen Zeit, also Piero Cappuccilli, Renato Bruson, Robert Merrill und Leonard Warren, waren alle sehr verschieden. Ich habe von allen gelernt, und empfehle das ohne Weiteres auch meinen Schülern.“ Man müsse natürlich vorher „analysieren“, wie es die Kollegen machen, und nicht nur blind übernehmen. „Anfangs, bei Fritz Reiner, sang ich noch im Chor und war eine kleine Ameise. Langsam wurde ich größer.“

Regisseur Herbert Fritsch ist der Meinung, dass in Wagners Opern mehr Witz steckt, als man diesem Komponisten meist unterstellt. Im „Fliegenden Holländer“ stecke „etwas Operettenhaftes, Revuehaftes“, so Fritsch in Berlin, wo er das Werk an der Komischen Oper inszenierte. Der Held selber sei „keine Heldenfigur“. Bei Wagner gebe es grundsätzlich „Männer auf verlorenem Posten“. Seit „die Nazis“ indes „begannen, den Supertrottel Siegfried im ‚Ring des Nibelungen‘ ernst zu nehmen, kippt die Sache um.“ Seither nimmt man ihn bierernst. Das heiße nicht, dass er selbst sich als Regisseur über Wagner lustig mache. „Ich werde immer mit Komödie angekündigt, egal was ich mache“, so Fritsch. „Und anschließend ist die Enttäuschung groß.“

Tenor Klaus Florian Vogt reist nach wie vor mit eigenem Flugzeug, eigenem Motorrad oder Camping-Wagen. „Immer noch das volle Programm“, so Vogt im heimischen Dithmarschen gegenüber dem Magazin „OPER!“. „Welches Verkehrsmittel ich wähle, hängt nur von der Dauer ab. Bei eintägigen Gastspielen reichen Motorrad oder Flugzeug aus. Letzteres allerdings nur bei gutem Wetter“, so Vogt. Er fliege allein. Wenn es geht, ziehe er das Wohnmobil dem Hotel vor. „Ich fühle mich einfach in fremden Wohnungen oder Hotels nicht wohl. Jedenfalls nicht lange.“ Er finde es langweilig. „Im Wohnmobil zu wohnen, ist vielleicht auch nicht jedermanns Sache, aber es ermöglicht mir am ehesten ein normales Leben“. Home, sweet motor­home.

Robert Fraunholzer, 04.03.2023, RONDO Ausgabe 1 / 2023



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