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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Startseite · Oper & Konzert · Café Imperial

Jonas Kaufmann in Umberto Giordanos „Andrea Chénier“ an der Wiener Staatsoper (c) Wiener Staatsoper/Michael Pöhn,

Café Imperial

Unser Stammgast im Wiener Musiker-Wohnzimmer

Wenn Jonas Kaufmann an der Wiener Staatsoper als „Andrea Chénier“ gastiert, wird selbst eine abgehangene Otto Schenk-Inszenierung wieder brandneu. Für die erste von insgesamt vier Aufführungen hatte Kaufmann desaströse Kritiken eingeheimst. Nur die letzte Vorstellung sang er noch. Und zeigt Nerven. Die überfeinerten Schwelltöne und Zeitlupen-Crescendi erscheinen zu raffiniert für Giordanos draufgängerischen Helden. Die Spitzentöne: eher matt und wenig strahlend. George ­Petean als Carlo Gérard und Maria Agresta als Maddalena werden deutlich länger gefeiert. Nach dem Duett im 2. Bild krampft sich Kaufmann in die Umarmung mit seiner Partnerin dermaßen hinein, als stünde er kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Noch beim Applaus im 3. Bild geht er brüsk von der Bühne ab – als wolle er sagen: ‚Bringt alles nichts ...’ Ein leicht tragischer Abend. – Bei „Aida“ im Januar, mit Netrebko, soll es aber wieder besser gewesen sein.
Im Café Imperial, der Kaffeestube des edelsten Musikhotels von Wien, denken wir heute über Wiederholungen nach. „Der Pfad zum eigenen Himmel geht durch die Wollust der eigenen Hölle“, sagt Nietzsche (in „Die fröhliche Wissenschaft“). Also muss man wohl, wie in der Klassik üblich, dasselbe immer noch einmal tun. Die Wollüste, ebenso wie die Hölle, bleiben sich stets gleich. Wenn man dasselbe Repertoire indes immer und immer wieder spielt, macht das die Sache ja nicht leichter. Sondern schwerer. Und führt dennoch dazu, dass man lernt. Er habe nie eine Wagner-Oper dirigiert, ohne etwas Neues über sie zu erfahren, sagt der (sich langsam zurückziehende) Operndirigent Daniel Barenboim. Also ist nichts Schlechtes daran, dass die Klassik im eigenen Saft schmort. Der Braten wird immer zarter.
Auch der ach wievielte neue Mozart/Da Ponte-Zyklus muss in Wien nicht eigens gerechtfertigt werden. Der von Barrie Kosky an der Staatsoper allerdings gilt im Vorfeld von „Le nozze di Figaro“ (ab 11.3.) nicht unbedingt als der stärkste seiner Art. Peter Kellner hat die Titelpartie schon an der Volksoper verkörpert (und singt am 18.2. im Rahmen der „Schubertiade Wieden“ eine „Winterreise“ im schönen Ehrbar Saal). Ying Fang als chinesische Susanna gibt das leichtere Fach inzwischen sogar an der Met. Es heißt: abwarten. Man weiß noch nicht. Dagegen ist die Neuinszenierung von Händels „Belshazzar“ am Theater an der Wien mit Jeanine De Bique (als Nitocris) und Christina Pluhar am Pult jedenfalls interessant besetzt (ab 20.2.). Hier gibt es auch einen neuen „Freischütz“ (von David Marton, ab 22.3.). An der Volksoper: eine Wiederaufnahme von „Anatevka“ sowie letzte Vorstellungen von Kurt Weills Psychoanalyse-Musical „Lady In The Dark“ (bis 22.2.).
Im Musikverein bei den Wiener Philharmonikern dirigiert Christian Thielemann nicht gerade zum ersten Mal die „Alpensinfonie“ (17.-19.2.); außerdem Mendelssohn Bartholdy (24.2.) und Bruckners Achte (25.-26.2.). ­Martha Argerich spielt Liszts 1. Klavierkonzert (mit Barenboim und der Staatskapelle Berlin, 7.3.). Klaus Mäkelä präsentiert das Orchester von Paris mit Sibelius (10.3., Solistin: Janine Jansen), ebenso Mahler (12./13.3.). Augustin ­Hadelich spielt Berg bei den Wiener Symphonikern (15./16.3.). Und Herbert Blomstedt kehrt zu Carl Nielsen zurück (24.-26.3.). Damit hat der Musikverein erstmals seit langem die Nase vorn gegenüber dem Wiener Konzerthaus. Trotz dortigem Christian Gerhaher (14.2.), Lisa Batiashvili mit dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam (19.2.) und dem Quatuor Ébène (2.3.). Asmik Grigorian singt im Konzerthaus Rachmaninow-Lieder (10.3.). Und – auch nicht schlecht – Dianne Reeves kommt (20.3.). Ober, ich muss zur Kasse. Zahlen!

Robert Fraunholzer, 18.02.2023, RONDO Ausgabe 1 / 2023



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