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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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(c) Ufuk Arlsan

Würth Philharmoniker

Ein Ort für Superstars

Es muss nicht immer Salzburg sein: Mitten in Baden-Württemberg empfängt dieses Orchester regelmäßig illustre musikalische Gäste.

Wer Auftritte von Superstars wie Anna Netrebko, Juan Diego Floréz oder Anne-Sophie Mutter mit Museumsbesuchen sowie weiteren touristischen und kulinarischen Highlights verbinden möchte, sollte einen Urlaub in Städten wie Wien, München oder Salzburg in Betracht ziehen – oder Künzelsau. Wie in einem Brennglas bündelt sich hier in der 16 000-Einwohner-Gemeinde im Hohenlohekreis all das, was die meist teuren und entfernt gelegenen Kulturhochburgen dieser Welt zu bieten haben. Der Name, der hinter diesem Wunder steckt, ist nicht nur Leuten geläufig, die die Wirtschaftsnachrichten verfolgen. Auch Kulturinteressierte kennen Reinhold Würth, jenen Paradevertreter schwäbischer Geschäftstüchtigkeit, der 1954 in Künzelsau den Schraubengroßhandel seines Vaters übernahm und diesen im Laufe der Zeit von einem Zweimann-Betrieb in einen Global Player verwandelte. Mit rund 86 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 20 Milliarden Euro ist die Würth-Gruppe das weltweit größte Unternehmen für Befestigungstechnik.
Das markante Firmenlogo mit den stilisierten roten Schraubenköpfen sieht man heute nicht nur an Verwaltungsgebäuden und Firmenvertretungen in über 80 Ländern, sondern es steht auch für die mittlerweile 15 Museen und Kunstforen, in denen Reinhold Würth (bei freiem Eintritt) bedeutende Exponate seiner rund 19 000 Werke umfassenden Kunstsammlung zeigt: eine der größten privaten Kollektionen überhaupt. Würths Begeisterung für die Kunst, besonders die der Moderne, ist legendär. Allein in Künzelsau und an nahegelegenen Standorten wie Schwäbisch Hall mit der von Henning Larsen errichteten Kunsthalle Würth verdeutlichen fünf (!) Museen, wie eng sie mit der Firmenkultur verwoben ist. Doch auch die Musik, eine weitere große Leidenschaft Reinhold Würths, ist in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus gerückt. Einen prominenten Stellenwert erhielt sie vor einiger Zeit durch die Gründung einer ganz besonderen Institution: Unter dem Dach der Reinhold Würth Musikstiftung gGmbH wurde 2017 ein unternehmenseigenes Sinfonieorchester ins Leben gerufen, die Würth Philharmoniker. Mit mittlerweile 34 festangestellten Musikern und einem eigenen Chefdirigenten, dem Italiener Claudio Vandelli, der diesen Posten 2020 übernahm, ist der Klangkörper mittlerweile zu beeindruckender Größe angewachsen. Ergänzt wird er je nach Bedarf durch einen Pool von professionellen Aushilfskräften.

Intimer Rahmen für große Künstler

Zeitgleich mit ihrer Gründung wurde auch jener Ort in Betrieb genommen, in dem die Würth Philharmoniker ihre musikalische Heimstätte gefunden haben. Nach Reinhold Würths Ehefrau benannt, grüßt das auf einer Anhöhe errichtete Carmen Würth Forum den Ankömmling schon von Fern. Entworfen wurde der Gebäudekomplex vom britischen Spitzenarchitekten Sir David Chipperfield, eine Erweiterung erfolgte 2020. Von einem weitläufigen Skulpturenpark umgeben, gibt sich das Carmen Würth Forum schon äußerlich als Kultur- und Kongresszentrum zu erkennen. In seinem Inneren befinden sich neben einem Kunstmuseum und Konferenzräumen zwei besondere Säle, von denen der kleinere, der Reinhold Würth Saal, als Aufführungsort für die Saisonkonzerte der Würth Philharmoniker dient. 18 davon gibt es allein in der laufenden Saison 2022/23, drei davon führen die Musiker bei Gastspielen u.a. nach Baden-Baden; auch an Orten wie Amsterdam (Concertgebouw) oder London (Cadogan Hall) waren sie schon zu hören. Dass sich der Ruhm des noch jungen Orchesters auch überregional zu verbreiten beginnt, liegt nicht nur an den finanziellen Möglichkeiten des prominenten Initiators und seinen weit in die Kulturwelt hineinreichenden Kontakten, sondern auch an der hohen Qualität und der Ernsthaftigkeit, mit der man hier an der Klangkultur arbeitet.
Die Liste der prominenten Gastsolisten und -dirigenten, die bei den Würth Philharmonikern auftreten, liest sich beeindruckend. Vor kurzem erst hat der maltesische Tenorstar Joseph Calleja (nicht zum ersten Mal Gast in Künzelsau) zusammen mit der für die erkrankte Christiane Karg eingesprungenen Sopranistin Lana Kos in einem spritzigen Arienprogramm das neue Jahr begrüßt. Bezogen auf die aktuelle und die vergangene Spielzeit ließe sich das Namedropping von Christian Thielemann bis Rudolf Buchbinder, von Thomas Hampson bis Christian Tetzlaff, von Veronika Eberle bis Fazıl Say, beliebig fortsetzen (Anna Netrebko wurde eingangs schon erwähnt). Sie alle kommen nicht zuletzt deshalb gern und häufig, weil sie in Künzelsau neue Programme vor aufgeschlossenem Publikum und in perfekter Akustik ausprobieren können. Diese garantiert der für 500 Zuhörer ausgelegte Reinhold Würth Saal mit klassikfreundlicher „Schuhschachtel“-Architektur und ebensolcher Holzverkleidung. Die Tickets, sofern bei der regelmäßig hohen Nachfrage noch verfügbar, liegen weit unter den Preisen, die man anderenorts für Klassikstars aufruft. Neben ihren landschaftlichen, kulturellen und kulinarischen Vorzügen (die Dichte an Burgen, malerischen Altstädten und Michelin-Sternen rund um Künzelsau ist beeindruckend), lässt sich die Region auch gut erreichen. Rund 100 Kilometer mit dem Auto von Stuttgart und 150 Kilometer von Frankfurt entfernt liegt die Gemeinde verkehrsgünstig. Gelegenheit für einen Besuch bieten in nächster Zeit u.a. die Aufführung von Giuseppe Verdis Requiem am 8. April mit einem hochkarätigen Vokalquartett und dem Tschechischen Philharmonischen Chor Brünn oder der Auftritt Fazıl Says am 6. Mai mit Robert Schumanns Klavierkonzert und eigenen Werken.

Infos und Tickets unter:
www.wuerth-philharmoniker.de

Stephan Schwarz-Peters, 11.02.2023, RONDO Ausgabe 1 / 2023



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