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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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(c) Peter Gwiazda

Heidelberger Sinfoniker

Haydns Humor

Bei ihrer Erkundung der Sinfonien von Joseph Haydn nähern sich das Orchester und ihr künstlerischer Leiter Johannes Klumpp weiter der Ziellinie.

RONDO: Seit der Saison 2020/21 setzen Sie in Heidelberg das Mammutprojekt Ihres Vorgängers Thomas Fey fort: die Gesamteinspielung aller Haydn-Sinfonien. Was hat Sie besonders daran gereizt?
Johannes Klumpp: Schon bevor ich als künstlerischer Leiter zu den Sinfonikern kam, fühlte ich mich von der sprudelnden Lebendigkeit ihrer Haydn-Aufnahmen angezogen. Den Musikern merkt man ihre Entdeckerfreude an. Sie haben eine unglaubliche Energie, den Willen zum Groove, die Bereitschaft zur Wildheit. Bei unserer Zusammenarbeit hat sich bestätigt, dass wir musikalisch eine gemeinsame Sprache sprechen.

Gerade ist Teil 27 des Zyklus erschienen. Diese Aufnahme fand während des Corona-Lockdowns im Frühjahr 2021 statt – eine schwierige Zeit.
Das Aufnahmeprojekt verschaffte den Musikern, allesamt Freiberufler, eine Perspektive. Das war ja das Einzige, das wir zu der Zeit machen konnten. Das Orchester war regelrecht hungrig auf das Musizieren. Da es sich um vier frühe Sinfonien handelte (die Nummern 3, 33, 108 und 14), war es kein Problem, die vorgeschriebenen Abstände einzuhalten. Bei größeren Besetzungen wäre das nicht so einfach möglich gewesen.

Seit Volume 25, der ersten Einspielung unter Ihrer Leitung, präsentieren Sie die Werke in chronologischer Reihenfolge. Warum?
Die Nummerierung der Sinfonien hatte der Musikwissenschaftler Eusebius Mandyczewski Anfang des 20. Jahrhunderts vorgenommen. Seine Arbeit ist später in das Hoboken-Verzeichnis eingeflossen. Mittlerweile ist die Forschung weiter vorangekommen. Wir richten uns hier nach der neuen Gesamtausgabe des Joseph Haydn-Instituts in Köln. Volume 25 beginnt mit Werken ab dem Jahr 1757, als er mit dem Komponieren von Sinfonien anfing. Die neueste Einspielung, Volume 27, enthält Sinfonien, die er nach seiner Ankunft auf Schloss Esterházy schrieb. Die letzten Aufnahmen des Zyklus sind in diesem Frühjahr geplant, sie sollen 2024 erscheinen.

Die Gesamtzahl der Sinfonien ist im Laufe der Jahre nach oben korrigiert worden.
1908, als Mandyczewski seine Liste anlegte, kannte man 104 Haydn-Sinfonien. Unter denen, die später hinzukamen, ist auch die Nr. 108 in B-Dur, die auf dieser CD zu hören ist. Zunächst war man davon ausgegangen, dass es sich hier um Streichquartette handelte – bis man schließlich die Bläserstimmen dazu fand.

Was hat Sie an den Werken auf diesem Album besonders beeindruckt?
Die Menuette faszinieren mich ungemein. Haydn schafft es immer wieder, jedem von ihnen ein individuelles Antlitz zu geben. Im Menuett der Sinfonie Nr. 3 – einem Kanon! – geht es im Trio geradezu volkstümlich zu. In der Sinfonie Nr. 14 ist der erste Teil des Menuetts eher derb und zupackend, bevor wir durch das Oboen-Solo im zweiten Teil eine fast sakrale Ebene erreichen. Ich meine in diesem Moment immer von einem Marktplatz in eine Kirche hineinzugehen.
Als Komponist zeigt Haydn eine enorme Bandbreite. Mir gefällt vor allem sein Humor, der wahnsinnig intelligent ist. Er hat etwas Subversives, das man lange Zeit völlig aus dem Blick verloren hat. Wenn ich mich mit Haydn beschäftige, spüre ich immer ein Glitzern in den Augen.

Neu erschienen:

Joseph Haydn

Heidelberger Sinfoniker, Johannes Klumpp

Sinfonien Nr. 3, 33, 108 & 14 (Gesamtaufnahme Vol. 27)

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Corina Kolbe, 25.02.2023, RONDO Ausgabe 1 / 2023



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