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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Bruno de Sá (c) STIG

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Sopranist Bruno de Sá, geboren 1989 in São Paulo, sang als Knabe höher als die Mädchen. „Vor dem Stimmbruch konnte ich problemlos die Königin der Nacht singen“, so de Sá in seiner Wahlheimat Berlin. In „einem eher chauvinistischen Land“ wie Brasilien wurde ihm dabei „schon zugesetzt“. Heute, als Erwachsener, sei er „ein lyrischer Sopran. Sophie im ‚Rosenkavalier‘ könnte ich singen, aber nicht Octavian“, so de Sá. Er bezeichnet sich nicht als Countertenor. „Man würde ja auch einen Mezzo-Sopran nicht einfach so als einen Sopran bezeichnen. Genauso ist es bei mir.“ Natürlich verstehe er, wenn er gelegentlich doch als Countertenor firmiere. „Es handelt sich aber um ein Missverständnis.“

Sarah Willis, bekannte Hornistin der Berliner Philharmoniker und bekennender Mambo-Fan, hält das Horn nicht für ein gesundheitsschädliches Instrument. „Unserem ehemaligen Solo-Hornisten Norbert Hauptmann, der jetzt 80 ist, hat sein Arzt sagt: ‚Das Hornspielen ist so gesund für die Lunge, Sie sollten jeden Tag spielen.’ Wir pusten ordentlich, wir atmen richtig“, so Willis. „Manche Menschen wissen gar nicht, wie man tief Luft holt.“ Dagegen brauche jeder Blechbläser einen zuverlässigen, guten Zahnarzt. Und von Lippenbalsam müsse man die Finger lassen. „Lipgloss, leider auch Lippenstift, das ist Gift für uns. Man rutscht ab.“ Alles was man drauf tue, sei schädlich, denn es verhindere die Vibration. „Die Folge ist, dass man, so wie ich, gelegentlich eine dicke Lippe kriegt.“

Raphaël Pichon, ehemaliger Countertenor und heute Dirigent, bevorzugt auch in Bach-Aufnahmen keine Countertenöre. „Männlich oder weiblich, darum geht es nicht. Auf die musikalische Balance und auf die Farben kommt es an”, so Pichon zu Hause in Paris. Auch auf einem französischen Standpunkt (worin immer der bestehen könnte) beharrt er nicht, wenn es um die Musik geht. „Außer darauf, dass ich etwa Bach entdeckt habe, ohne ihn zu verstehen. Dieses Unverständnis, im Sinne einer Unschuld, hält bis heute an. Ich hoffe, dass es so bleiben wird.“

Bariton Stéphane Degout hält sich für einen typisch französischen Sänger. „Leichtere Farben, ausgeglichene Phrasierung, relativ große Freiheit in der musikalischen Ausgestaltung, das sind Kennzeichen französischer Musikausübung“, so Degout. „Vor allem: keine dunklen Farben.“ Dass dies einen eigenen Stil kreiert, merkt man auch daran, dass Degouts Vorbilder (Michel Dens, Camille Maurane) bei uns kaum bekannt sind. Nur einen Sänger gebe es, der eine Transformation ins Italienische erfolgreich vollzogen habe: Ludovic Tézier. „Er ist aber aus dem Süden.“

Burak Özdemir, Fagottist und Dirigent des Ensembles Musica Sequenza, glaubt nicht, dass Fagottisten beim Spiel unvorteilhaft aussehen. Karajan, der bei Filmaufnahmen immer verlangte, niemals die Fagottisten zu zeigen, habe Unrecht gehabt. „Geiger biegen den Kopf, na und?“, so Özdemir. „Ich habe mit Fagott angefangen, gerade weil ich es optisch anziehend fand. Ich war zehn Jahre alt. Das Instrument war größer als ich.“ Er habe es lieber, wenn sein Instrument größer ist als er selbst. „Wunderbar. Es kam nicht mal ein Ton heraus damals, und ich war trotzdem glücklich. Das Fagott ist beseligend im Klang. Das zu zeigen ist genau meine Mission.“

Der argentinische Tenor José Cura, der in diesem Jahr 60 wird und als tenorales Beispiel testosteronsatter Männlichkeit galt, ist sich der Virilität seiner Kunst voll bewusst. „Die Dramen des Otello oder des Bajazzo sind Folgen ihrer Unsicherheiten, weshalb diese Helden gewalttätig gegenüber ihren Partnerinnen werden“, so Cura. „Wenn du sie nicht dominant darstellst, macht die dramatische Architektur des Stücks keinen Sinn mehr – und die moralische Botschaft verliert an Zugkraft.“ Das heiße natürlich noch lange nicht, „dass ich privat ein arroganter Macho wäre. Um Himmels willen! So wenig wie Anthony Hopkins zu Hause Hirn verzehrt, nur weil dies Hannibal Lecter tat ...“

Robert Fraunholzer, 17.12.2022, RONDO Ausgabe 6 / 2022



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