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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Soll versteigert und privatisiert werden: Giuseppe Verdis Villa Sant’Agata nahe Bussetto © IBC – Regione Emilia Romagna

Pasticcio

Riccardo furioso!

Ob er nun die Wiener Philharmoniker dirigiert oder all die anderen Weltklasseorchester – Riccardo Muti wirkt auch im reiferen Alter von 81 Jahren immer noch wie ein Überbleibsel aus vergangenen Despotenzeiten. Am Pult strahlt er unbedingte Autorität aus. Und von seiner versteinerten Miene kann man einfach nicht ablesen, ob er von seinem Orchester gerade begeistert ist oder er ihm nach dem Konzert doch eher die Leviten lesen wird. Natürlich haben auch so manche Geschichten und Anekdoten das Klischee vom unberechenbaren Heißsporn und selbstbewussten Zuchtmeister Muti genährt. Wann immer es dabei um Giuseppe Verdi ging, kannte er kein Pardon. So löste Muti im Jahr 2000 einen Sturm der Entrüstung aus, als er einem Tenor für die Aufführung von Verdis „Trovatore“ an der Mailänder Scala untersagte, mit dem obligatorischen hohen C brillieren zu wollen. Das enttäuschte Scala-Publikum ging danach wutschnaubend nach Hause und zog tagelang in Leserbriefen wüst über Muti her. Der gebürtige Neapolitaner aber zeigte sich auch von diesem Empörungstsunami völlig unbeeindruckt und empfahl seinen Landsleuten einfach einmal einen Blick in die Noten. Und siehe da: in besagter Arie war nirgendwo jene hohe Note zu finden, mit der traditionell Tenor-Generationen das Publikum um den Verstand singen. „Wenn Verdi da ein hohes C gewollt hätte, hätte er es auch notiert“, so Il Maestro.
Doch so hartnäckig Muti das Notenbild verteidigt, so hält er ebenfalls eisern dagegen, wenn selbsterklärte Moralrichter im Sinne der Political Correctness an den Libretti Verdis rumstreichen wollen. Wie im Fall einer „Maskenball“-Inszenierung in Chicago, für die gefordert wurde, dass der Original-Satz, die Wahrsagerin Ulrica sei „dem Negerstamm entsprossen“, getilgt werden muss. „Das ist ein ungeheuerlicher Satz“, so Muti. „Aber Verdi legt ihn dem weißen Richter in den Mund und macht ihn damit lächerlich. Er entlarvt ihn. […] Es ist also richtig, die Menschen wissen zu lassen, was geschrieben wurde und warum.“
Auch aktuell bringt ein weiterer Verdi-Fall Muti mal wieder auf 180. Denn die bei Bussetto gelegene Villa Sant´Agata, in der Verdi viele Jahrzehnte gelebt und gearbeitet hat, soll privatisiert werden. Auslöser dafür ist ein Streit zwischen den Verdi-Erben, die mit dem Anwesen, das bislang als Museum fungierte, nichts mehr zu tun haben wollen. Daher ist Muti jetzt mit einem Appell an die Regierung in Rom an die Öffentlichkeit gegangen, um diesen Schritt zu verhindern: „Die Residenz ist ein heiliger Ort der Kultur. Ich habe ihn besucht, als ich am Konservatorium studiert habe und dann auch, als ich schon im Berufsleben stand. Es hat etwas Unwiederholbares, als ob er, der Maestro, immer noch da wäre, in den Räumen, in denen sein Talent unvergleichliche Kunst hervorgebracht hat". Daher empfindet es Riccardo „Furioso“ Muti auch als absolut undenkbar, „dass die Villa nach der geplanten Versteigerung in private Hände gelangt.“ Um ganz sicher zu gehen, dass dieser Fall nicht eintritt, könnte er ja andererseits einfach auch mitbieten.

Guido Fischer



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