Startseite · Oper & Konzert · Hausbesuch
Il Pomo d’Oro (c) Nicola Dal Maso
Was hatten im November 2021 die Wiener, Mailänder, Pariser, Luxemburger und Essener gemeinsam? Sie kamen in den Genuss von Georg Friedrich Händels spätem Oratorium „Theodora“ von 1750, aufgeführt von einer reisenden, vokalen wie orchestralen Spitzenbesetzung. Die kleine, überall bejubelte Tour fand in der Philharmonie im Ruhrgebiet zu einem triumphalen, auch nach drei eindreiviertel keinen Takt und keine Sekunde langweiligen Stunden ihr Ende. Es wurde ein langer Applaus, weil hier ideal besetzte Stars in einem musikalisch intensiven Stück sängerisch vollkommen zusammengewachsen waren, weil sich nach Proben und bereits vier Aufführungen alles gesetzt und perfektioniert hatte – und wohl auch, weil in Essen zudem die Mikrofone für einen Alben-Mitschnitt bereitstanden.
Ob als Stream oder gebannt als Box auf drei CDs ist die Aufnahme ein barockes Oratorienfest geworden. Obwohl die angeblich wahre Geschichte einer christlich tugendsamen Märtyrerin, die 304 unter Kaiser Diokletian in Antiochia aufrecht den Glaubenstod starb, ohne viel Aufhübschung sehr geradlinig erzählt wird. Selbst Händelforscher Winton Dean nennt die Titelheldin, die kurz in Gefahr ist, sich im Namen von Jesus im Venustempel prostituieren zu müssen, „eine der unerträglichsten Tugendboldinnen“. Ganz so schlimm kommt es nicht, die Liebe zu einem römischen Konvertiten erleichtert ihr den gemeinsamen Tod. Musikalisch ist das, freilich ohne echte Arien-Hits, vom Händel-Feinsten und -Zartesten.
In Essen konzentrierte sich – die hohe Podium-Apsis der Philharmonie, umstanden von einem Halbkreis flackernder Kerzen in hohen Haltern, hatte dabei durchaus etwas Katakombenartiges – alles auf die starken musikalischen Meriten der Geschichte. Auch wenn durch Auf- und Abgänge sowie Hinsetzen in der Ecke durchaus ein Hauch von Theatralik vorhanden war. Maxim Emelyanychev am Pult des mit 28 Musikern und 16 als Chor neu geformten Stimmen angetretenen Ensembles il Pomo d’Oro entwickelt das Werk hurtig und doch gelassen, vokal aufblühend, klug disponiert, ohne knallige Kontrastdramatik.
„Theodora“-Stars sind die mädchenhaft standhafte Titelheldin der jubilierenden, zarten Lisette Oropesa und der verliebt leidenschaftliche, ebenfalls eher entrückt verhaltene Didymus. Den singt der Countertenor Paul-Antoine Bénos-Djian mit hellem, kompaktem Trompetentimbre. Joyce DiDonato, oft klanglich vom Chor hinterfangen, ist Irene, das gute Christengewissen, die Mahnerin. Makellos sind nach wie vor ihr schön ausgekostetes Legato, die nach innen gerichteten Piani, eine entrückte vokale Gewissheit und nachhallende Tiefe. Als liebenswürdiger Römerfreund Septimus bringt Michael Spyres seinen füllig dunklen, doch beweglichen Tenor ein. John Chest gibt dem Unsympathen Valens einen kontrastreichen, dynamisch flexiblen, nicht großen, aber plastischen Bariton.
Und als Theodora, unterbrochen von einem engelhaften Trio aus zwei Flöten und Fagott aus dem Rang, erst „With Darkness Deep, As Is My Woe“ und dann „Oh, That I on Wings Could Rise“ sang, da wähnte man sich in Essen wirklich beflügelt im Händel-Himmel. Auch wenn die beiden vokal makellosen Damen eher dekolletébetont denn bußfertig wirkten …“
Erato/Warner
Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen.
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Matthias Siehler, 29.10.2022, RONDO Ausgabe 5 / 2022
„Als Karajan 1968 mit den Berliner Philharmonikern nach Leningrad kam, gab es einen Workshop, in […]
zum Artikel
Vadim Gluzman: „Was ich spiele, entscheidet mein Bauch“
Seit einigen Jahren bereits genießt Vadim Gluzman ein selten gewordenes Privileg: Carte blanche […]
zum Artikel
Meldungen und Meinungen der Musikwelt
Sein Name tauchte nie auf den Programmen einschlägiger Neue Musik-Festivals auf. Trotzdem hat Arvo […]
zum Artikel
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Alexander Skrjabins frühe Werke sind in ihrer Tonsprache noch stark von Chopin und Liszt beeinflusst. Die Préludes op. 13, zeigen deutliche Bezüge zu Chopin, aber auch eine visionäre Originalität, die seine zukünftige Modernität vorwegnimmt. In der berühmten Étude in cis-Moll hört man komplexe Harmonien, während die epische Leidenschaft der Fantasie in h-Moll bereits den kompositorischen Fortschritt andeutet. Die italienische Pianistin Daniela Roma hat in ihrem Heimatland und den […] mehr