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Ab 1960 sorgte Leonard Bernstein mit seiner ersten Gesamteinspielung der neuneinhalb Mahler-Sinfonien für ein regelrechtes Beben, was das Bild von diesem lange verkannten Vermittler zwischen Tradition und Moderne anging. Als Bernstein nun in den 1980er Jahren ein zweites Komplett-Paket aller Sinfonien startete (diesmal für die Deutsche Grammophon), war Mahler längst rehabilitiert und im Konzertleben angekommen. Trotzdem entpuppten sich Bernsteins Einspielungen mit den Weltklasse-Orchestern aus Wien, New York und Amsterdam wieder als ein besonderes, weil diesmal emotionsgeladenes Ereignis. Hatte Bernstein bei seiner Ersteinspielung den Energieüberschwang an seine Grenzen getrieben, feierte er jetzt den Ausdrucks- und Endzeitmusiker Mahler bisweilen ohne Rücksicht auf die Partitur-Details. Dafür aber tun sich jetzt auch bei den erstmals komplett auf Vinyl veröffentlichten Sinfonien schockierende Abgründe und dann wieder versöhnliche und seligmachende Horizonte auf, die so nur Bernstein zu gestalten, zu durchleben und zu durchleiden verstand.
Guido Fischer, 10.09.2022, RONDO Ausgabe 4 / 2022
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