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N° 1353
13. - 24.04.2024

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am 20.04.2024



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Steinberger Tafelrunde (c) Woody T. Herner / Woodworks

Rheingau Musik Festival

Für Leib und Seele

Die 35. Ausgabe des Festivals steht unter dem Motto „Zusammenhalt“ und setzt mit Fokus-Themen starke Akzente.

Der Rheingau ist eine Kulturlandschaft, in der so manches besser gedeiht als anderswo. In mildem, sonnenreichem Klima säumen üppige Weinberge den dahinströmenden Rhein. Traditionsreiche Weingüter schmiegen sich in die liebliche Landschaft und erzeugen Spitzentropfen. In märchenhafter Dichte sind historische Burgen und Schlösser, Kirchen und Klöster mit großer Vergangenheit zu bestaunen. Das Zusammenspiel von landschaftlicher Schönheit, alten Mythen und pittoresken Gemäuern inspirierte einst die Rheinromantik, heute ist der Rheingau vor allem für kulturinteressierte Genuss-Touristen attraktiv.
Die auch in diesem Jahr wieder zuverlässig zum Rheingau Musik Festival kommen werden, das unter den Klassik-Festivals längst eine Institution ist. Zumal es dem Festival eben auch gelingt, die Gaben und Reize dieses gesegneten Landstrichs zu nutzen und in dessen einzigartigen Kulissen besondere Konzerterlebnisse zu bieten, bei denen auch das leibliche Wohl nicht zu kurz kommt. Nicht zufällig besteht das Logo des Festivals aus einer stilisierten Weinrebe.
Im letzten Sommer trotzten die Macher des Festivals den Pandemie-Bedingungen mit dem Bau eines Konzert-Kubus mit einem ausgeklügelten Akustik-Konzept, denn die reizvollen Spielstätten waren mit den damals geltenden Hygieneregeln kaum zu bespielen. Der fliegende Bau, genannt „Fürst von Metternich Konzert-Kubus“ ist der wohl größte mobile Konzertsaal Europas und wird auch in diesem „Sommer voller Musik“ genutzt. Denn er hat sich bewährt, wie der Geschäftsführer, Marsilius Graf von Ingelheim, verspricht: „Wir konnten mit der Unterstützung von ‚Neustart Kultur‘ einen der größten mobilen Konzertsäle Europas errichten. Ein Projekt mit hoher Innovationskraft und dem klaren Fokus auf die Auftritte junger Nachwuchskünstler. So konnten wir ein nachhaltiges Leuchtturmprojekt schaffen, das auch in den kommenden Jahren zur Verfügung stehen wird.“
Daneben werden vom 25. Juni bis zum 3. September nun aber auch wieder unter dem Festivalmotto „Zusammenhalt“ an die 30 verschiedene Spielstätten mit insgesamt 133 Konzerten bespielt. Darunter sind sowohl repräsentative Säle wie das Kurhaus Wiesbaden oder die Alte Oper Frankfurt, aber auch intime Orte wie das Gestüt Schafhof in Kronberg, die Kurfürstliche Burg Eltville, sowie atmosphärisch unschlagbare Spielstätten wie Schloss Johannisberg oder Schloss Vollrads in Oestrich-Winkel.
Programm der Künstler
Traditionell geben sich beim Rheingau Musik Festival Stars aus der ersten Reihe des Klassik-Betriebs wie Anne-Sophie Mutter, Jonas Kaufmann, Avi Avital, Daniil Trifonov und Gabriela Montero die Ehre, sind aber freilich auch anderswo zu erleben. Inhaltlich interessanter als der Reigen der üblichen Verdächtigen aus dem Hochglanzkatalog sind die Fokus-Themen und -Künstler dieses Jahrgangs, die programmatisch eigens für das Festival konzipierte Programme bieten: Die Geigerin Julia Fischer ist als Fokus-Künstlerin in vier Konzerten zu erleben, mit Robert Schumanns immer noch unterschätztem Violinkonzert (mit den Bamberger Symphonikern unter der Leitung von John Storgårds), mit ihrem eigenen Streichquartett, mit Felix Mendelssohn Bartholdys schwärmerischem Violinkonzert, für Arnold Schönberg der „Inbegriff höchster geigerischer Schönheit“ (mit der Kammerakademie Potsdam unter Tarmo Peltokoski) und im Duo mit dem zweiten Fokus-Künstler des Festivals, dem polnisch-kanadischen Pianisten Jan Lisiecki. Das Duo trifft erstmals aufeinander und musiziert Violinsonaten von Schubert, Schumann und Beethoven. Letzterer steht auch im Fokus von Lisieckis Soloauftritten mit dem Chamber Orchestra of Europe und allen fünf Klavierkonzerten, die Lisiecki vom Flügel aus auch selbst leiten wird. Außerdem widmet sich Lisiecki Frédéric Chopins Nocturnes, deren aktuelle Einspielung von der Kritik gerade in den höchsten Tönen gelobt wird, und mit dem Norwegischen Kammerorchester auch den beiden Klavierkonzerten Chopins, wobei er wiederum zugleich die Leitung übernimmt.
Als dritter Fokus-Künstler reist der Jazz-Schlagzeuger Wolfgang Haffner in den Rheingau, der mit der hr-Bigband, der Wolfgang Haffner All Star Band und dem Pianisten-Kollegen Michael Wollny für lässige Sommernachts-Stimmung sorgen wird. Ein weiterer interessanter Fokus liegt auf der immer mal wieder kontrovers diskutierten Tradition der deutschen Knabenchöre, deren beste fünf – von Regensburg bis Leipzig – anreisen werden mit A-cappella-Literatur, aber auch geistlichen Werken Wolfgang Amadeus Mozarts und (im Falle des Windsbacher Knabenchors) mit Mendelssohn Bartholdys „Elias“. Dem früh vollendeten Komponisten, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 175. Mal jährt ist ein weiterer „Spot-on“ gewidmet, unter anderem mit seinem zweiten Oratorium „Paulus“ und einer Nacht der Streichquartette. Unter dem Motto „Schumann – Brahms“ steht der diesjährige Streichergipfel des Festivals mit Höhepunkten des kammermusikalischen Schaffens der beiden Komponisten und Studierenden und Alumni der Kronberg Academy.
Ja, und dann wird noch der 95-jährige Herbert Blomstedt, der auf sagenhafte sechzig Jahre Karriere zurückblicken kann, mit dem Rheingau Musik Preis 2022 geehrt, der ihm am 27. August in der Basilika von Kloster Eberbach überreicht wird, wo er Anton Bruckners Siebte mit dem Gustav Mahler Jugendorchester interpretiert. Die auratische Basilika von Kloster Eberbach bietet auch den Rahmen für das Eröffnungs- und Abschlusskonzert: Zur Eröffnung am 25. Juni spielt das hr-Sinfonieorchester unter Alain Altinoglu Antonín Dvořáks Sinfonische Dichtung „Das goldene Spinnrad“ und Mendelssohn Bartholdys „Lobgesang“-Sinfonie Nr. 2 mit dem Chor des MDR. Am 3. September dann beschließen die Bamberger unter der Leitung von Christoph Eschenbach das Festival mit Bruckners Achter. Überwältigung garantiert!

Rheingau Musik Festival
25. Juni – 3. September: „Zusammenhalt“
Tickets: +49 (0) 67 23 60 21 70
www.rheingau-musik-festival.de

Regine Müller, 21.05.2022, RONDO Ausgabe 3 / 2022



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