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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Premieren-Abo

Das größte Opernhaus der Welt will offensichtlich auch den größten Output an Mitschnitten auf den Markt bringen, jedenfalls gilt es dieses Mal, gleich drei neue DVDs aus der Metropolitan Opera zu würdigen. Im Februar 2010 war Plácido Domingo dort – wie auch anschließend in London und Berlin – in seiner neuesten Partie, dem Titelhelden von Verdis »Simon Boccanegra«, zu erleben. Das Lob für seine Londoner Leistung kann ich leider nicht wiederholen. Der Baritenor ist hier in deutlich schlechterer vokaler Verfassung, man merkt ihm immer wieder die Anstrengung an. Gestalterisch überzeugt er auch hier, so gelöst wie in Covent Garden ist er gleichwohl nicht. Adrianne Pieczonka ist eine erfahrene Sängerin, die weiß, wie man eine Partie wie Amelia angeht, auch wenn ihr nicht immer alles ganz selbstverständlich gelingt. Die Kanadierin phrasiert ›groß‹, kann Bögen spannen, verfügt über eine gute Atemtechnik. Ihr Liebhaber Gabriele Adorno findet in Marcello Giordani einen zuverlässigen, allerdings monochromen und nicht besonders eleganten Interpreten. Die ehemals so einnehmende, resonanzreiche Stimme von James Morris ist nicht mehr so zuverlässig, besonders in der Tiefe versagt sie ihm gelegentlich den Dienst, doch singt er seinen Fiesco mit Geschmack. James Levine ist wie immer eine Freude, einer der wenigen Dirigenten, die die Bedürfnisse von Sängern kennen und auf sie eingehen. (Sony 88697 806649)

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Auch in der im März 2009 festgehaltenen »Madama Butterfly« heißt der Tenor Marcello Giordani. Hier deutlich besser in Form, erweist er sich als sicherer, geschmackvoller Pinkerton ohne Tenorvulgaritäten. Bei der Auftrittsszene der Titelheldin war ich noch skeptisch, doch schon kurz darauf hat mich Patricia Racette völlig in ihren Bann gezogen. Sie ist eine der wenigen Sopranistinnen, bei denen man nicht das Gefühl hat, sie verausgabt sich mit der strapaziösen Partie. Vielmehr ist sie ihr mit ihrer sehr sicheren, wenn auch nicht übermäßig persönlich gefärbten Stimme souverän gewachsen. Unglaublich berührend im Spiel, durchlebt sie die Rolle förmlich, durch und durch glaubwürdig bis in den kleinsten Blick – eine große Leistung. Dirigent Patrick Summers hält alles wunderbar im Fluss und veranstaltet erfreulicherweise keine Forte-Orgie. (Sony 88697 806629)

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Auch für Richard Strauss zeigt Patrick Summers ein sicheres Händchen, im Oktober 2008 stand er bei dessen »Salome« am Pult. Die judäische Prinzessin ist eine weitere von Karita Mattilas fesselnden Rollenporträts, die Finnin verfügt über eine Bühnenpräsenz, der man sich nicht entziehen kann, nur wenige Sängerinnen werfen sich mit einer ähnlichen Intensität in ihre Rollen. Kritische Einschränkungen verstummen da schnell wieder – bis zur Schlussszene. Da geht Mattila sehr freizügig mit der Tonhöhe um, ›korrigiert‹ sie in beide Richtungen, macht deutlich, dass sie sich mit dieser Partie letztendlich doch überfordert. Ihr Landsmann Juha Uusitalo ist ein Baum von einem Mann, auch stimmlich kommt dieser Jochanaan ziemlich ungeschlacht daher, zudem bereitet ihm die Höhe Schwierigkeiten. Vokal verlässlich, aber einförmig zeigt sich Herodes Kim Begley, darstellerisch ist er ebenso präsent wie seine Gattin, die Ildiko Komlósi aber mitunter schon arg keifen lässt. Die Inszenierung im stylishen Bühnenbild punktet mit hervorragender Personenregie, benötigt für ihre starke Wirkung aber auch eine Künstlerin wie Mattila mit Mut zur Selbstentäußerung. (Sony 88697 806639)

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Von der MET geht es ins Große Festspielhaus in Salzburg, wir bleiben aber bei Richard Strauss: Seine »Elektra« hatte dort im vergangenen Sommer Premiere. Gleich vorweg sei auf die schlecht eingefangenen Gesangsstimmen hingewiesen, sie klingen – unabhängig von der tatsächlichen Position der Akteure – mitunter wie weit aus dem Hintergrund kommend. Das Ereignis der Aufführung heißt Waltraud Meier. Aus ihrer großen Szene mit Elektra macht sie quasi eine Soloszene, ob ihrer Präsenz und Ausstrahlung nimmt man nur noch sie wahr. Nun ist die Klytämnestra zwar eine dankbare Rolle, aber den meisten Darstellerinnen stehen für gewöhnlich nicht mehr die stimmlichen Mittel der Würzburgerin zur Verfügung, wodurch hier die gestalterische Intensität auch einen adäquaten vokalen Niederschlag findet. Auch Iréne Theorin ist als Figur sehr überzeugend, stimmlich ist sie der Elektra insgesamt allerdings nicht gewachsen, was sich nicht nur an den rausgeschrienen (und dennoch nicht in der richtigen Höhe herauskommenden) exponierten Tönen festmachen lässt, es fehlt ihr vielmehr generell an Prägnanz und Eloquenz. Eva-Maria Westbroek erweist sich als Chrysothemis einmal mehr als hervorragende Jugendlich-Dramatische. Daniele Gatti schleift mit den Wiener Philharmonikern leider zu viele Kanten glatt und gefällt sich als Krachmacher. (Arthaus/ Naxos 101 559)

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Zur gleichen Zeit letzten Sommer war bei den Bayreuther Festspielen »Die Walküre« unter der klangsinnlichen Leitung von Christian Thielemann zu erleben, bei Wagner ist der Dirigent einfach in seinem Element und tatsächlich eine Klasse für sich. Mit Linda Watson steht eine echte Hochdramatische als Brünnhilde auf der Bühne. Ihr Sopran ist gewiss nicht der attraktivste, aber sicher und ausdauernd bis zum Schluss, dabei stets auch zu sauberen Piani fähig. Albert Dohmen liefert als Göttervater unsaubere Linien zuhauf, das kommt alles arg verwaschen, dennoch nicht ohne Autorität und Ausstrahlung daher. Mihoko Fujimura artikuliert ihre Fricka nicht sauber genug, stimmlich wirkt sie nicht sonderlich frisch. Eine sehr gute Sieglinde (mit leichten Schwierigkeiten bei einigen tiefer liegenden Passagen) präsentiert Edith Haller, der es lediglich an der Leidenschaft mangelt, die Johan Botha ihr mit seinem mühelosen und differenzierten Siegmund entgegenbringt. Mit großem, grimmigem und leider nicht sehr nuancenreichem Bass vervollständigt Kwangchul Youn als Hunding das Ensemble. (Opus Arte/Naxos OA 1045 D)

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Michael Blümke, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 3 / 2011



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