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(c) OFS Matthias Creutziger
Auch wenn Christian Thielemann bald alle Chefposten los sein wird, bleibt er in der Musikwelt eine feste Größe. Nicht zuletzt mit seiner Lesart der Opern Richard Wagners hat er auf internationaler Ebene Maßstäbe gesetzt. Was es mit dem Phänomen Thielemann auf sich hat, kann man nun auch anhand eines frisch veröffentlichten Live-Mitschnitts von den Salzburger Osterfestspielen 2021 überprüfen. Die Festivalausgabe, die pandemiebedingt vom Frühjahr auf den Herbst verschoben werden musste, war die vorletzte unter seiner künstlerischen Leitung. Auf dem neuen Doppelalbum ist ein Konzert mit Ausschnitten aus „Die Walküre“ und „Götterdämmerung“ zu hören. Thielemann und der Sächsischen Staatskapelle Dresden stehen mit Anja Kampe, Stephen Gould und René Pape drei der zurzeit renommiertesten Wagner-Sänger zur Seite. Das Motto des Abends, „Winterstürme“, ist zugleich eine Anspielung auf Siegmunds Liebeslied aus dem ersten „Walküre“-Aufzug und auf den ungewöhnlichen Zeitpunkt der Festspiele. Schon beim stürmisch bewegten Vorspiel zur „Walküre“, mit dem der Mitschnitt beginnt, erlebt man den von Thielemann zelebrierten satten und zugleich fein differenzierten Wagner-Klang. Kampe hinterlässt einen starken Eindruck als Sieglinde und meistert dann noch den langen, kräftezehrenden Schlussgesang der Brünnhilde in der „Götterdämmerung“. Gould als Siegmund und Pape als Hunding sind ebenfalls Idealbesetzungen für ihre Rollen. Wenn Siegmund im Haus seines Feindes Hunding von der Erinnerung an eine schicksalhafte Weissagung überwältigt wird – „Ein Schwert verhieß mir der Vater“ – dann bringt die Musik die Dramatik dieser Szene auf eine packende Weise nah. Für Gänsehaut sorgt auch Kampes Gesang, wenn in der „Götterdämmerung“ schließlich der apokalyptische Weltenbrand naht. Interessante Einblicke in Thielemanns Arbeit mit dem Orchester vermitteln Tonausschnitte aus der Generalprobe im Großen Festspielhaus, die als Bonus-Tracks mitgeliefert werden. Präzise gibt der Dirigent hier den Bläsern Spielanweisungen für die „Morgendämmerung“ aus der letzten „Ring“-Oper. „Von dem Wagner kommste nie wieder los“, entfährt es ihm am Ende. Bei den Bayreuther Festspielen habe er mit dem „Ring“ rund 300 Stunden im Orchestergraben verbracht, schreibt er in einem Text für das Booklet. Und er sei keineswegs der Meinung, vollständig damit fertig geworden zu sein. „Der ,Ring‘ ist musikalisch so vielgestaltig, dass sich Neugier und Entdeckungslust nie erschöpfen. Im ,Ring‘ fühlt sich der Dirigent wie ein Akku, das permanent wieder aufgeladen wird.“ Diese Hochspannung übertrug sich offensichtlich auch auf das Salzburger Publikum, das am Ende stürmisch applaudierte. „Thielemanns Wagner ist an diesem hochinspirierten Abend unwiderstehlich gut“, urteilte Bernhard Neuhoff, Redakteur von BR-Klassik. „Thielemann lässt sich und das Orchester tragen vom ganz großen Atem, ein kalkulierter Rauschzustand, der – und das ist das Großartige – Wagner wunderbar sinnerfüllt zum Sprechen bringt.“
Corina Kolbe, 04.06.2022, RONDO Ausgabe 3 / 2022
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