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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Wo Schubert sich zuhause fühlte: Der Pianist Radu Lupu † © Matthias Creutziger

Pasticcio

Zwei stillere Stars

Als Daniel Barenboim 2017 im Rahmen einer Aufführungsreihe von sämtlichen Schubert-Klaviersonaten einmal gefragt wurde, welcher Kollege ihn denn besonders mit seinem Schubert-Spiel beeindruckt habe, nannte er Radu Lupu. Und man kann es Barenboim nicht verdenken. Denn der gebürtige Rumäne ließ diese Musik in aller ihrer Einfachheit und Schönheit ohne irgendwelches „grüblerisches“ Beiwerk einfach aus sich heraus sprechen. In Lupus Händen fühlten sich die Klavierwerke Schuberts wohl, geborgen und auch ein wenig wie zu Hause.
Diese Dezenz spiegelte auch die Persönlichkeit dieses Pianisten wider, der zwar von vielen weiteren Kollegen bewundert wurde, den es aber nie ins Spotlight des Konzertzirkus und der Schallplattenbranche zog. Schon lange gab er keine Interviews mehr. Und sein vertrautes Repertoire befragte er lieber immer wieder neu, statt sich etwa in zyklischen Großprojekten zu verheddern. Die deutsch-österreichische Klassik und die Romantik, das war bis auf ganz wenige Ausnahmen (Berg, Prokofjew) seine Welt. Dabei standen zu Beginn seiner Karriere die Vorzeichen ziemlich auf Glamour. Der 1945 in Rumänien geborene Lupu hatte zunächst bei der Lehrerin von Dinu Lipatti studiert – bevor er Mitte der 1960er Jahre in der Klavierszene rasant für Aussehen sorgte. Nach dem Gewinn des Van Cliburn-Wettbewerbs 1966 holte er 1969 den ersten Platz beim Leeds-Wettbewerb. Es folgten Tourneen durch die USA und Europa. Salzburger Festspielluft schnupperte Lupu erstmals 1978 dank einer Einladung Karajans. Trotzdem blieb er sich stets treu und lenkte lieber die Aufmerksamkeit des Publikums ganz auf die Musik. Am Ostersonntag ist Radu Lupu im Alter von 76 Jahren in Lausanne gestorben.
Lediglich 51 Jahre wurde hingegen der Amerikaner Nicholas Angelich. Auch er hatte seinen Weg über bedeutende Wettbewerbe wie beim Internationalen Robert Casadesus-Wettbewerb gemacht. Doch im Gegensatz zu Lupu war der Wahl-Franzose Angelich, der bei Yvonne Loriod und Michel Béroff studiert hatte, nicht nur auf das 18. und 19. Jahrhundert abonniert. Angelich streckte immer wieder auch die Finger in Richtung Stockhausen und Boulez aus. Am Ostermontag, einen Tag nach Lupu, ist Angelich, der ebenfalls ein Star-Pianist ohne Star-Allüren war, in Paris verstorben.

Guido Fischer



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