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Wird die Partie des Jesus singen: Countertenor Reginald Mobley (c) Liz Linder
Die beiden großen, uns überlieferten Passionen Johann Sebastian Bachs gehören zu den Musik-Inkunabeln der Menschheit. Die man aber nicht einfach nur so zur frommen Erbauung tönend strahlen lassen möchte. Allerhöchste Kunst hat auf zeitlose Weise auch immer etwas mit uns heute lebenden Menschen zu tun, muss und möchte sich aktualisieren, gar adaptieren lassen.
Die Matthäus- wie die ältere Johannes-Passion wurden deshalb von den Kirchenchoremporen in den Konzertsaal und später sogar auf die Bühne geholt. Sie erzählen beide in einer uns immer noch anrührenden Dramatik eine der wichtigsten Menschheitsgeschichten, emotional, bewegend, dramatisch. Die rauere, ungefügtere Johannes-Passion, die 1724 in der Leipziger Nikolaikirche uraufgeführt wurde, wirkt gegenüber dem großflächigeren, souverän ausbalancierten Gemälde der Matthäus-Passion wie eine kraftvolle Skizze, wild auffahrend, temperamentvoll, direkt. Und mit zwei Stunden Spielzeit lässt sie sich auch rein praktisch viel besser theatralisch nachspielen und sogar vertanzen.
Eine strikt gegenwärtige Auseinandersetzung mit dem ewigen Stoff in Bachs gar nicht einschüchternder Umsetzung, das verspricht einmal mehr die gern volles Risiko fahrende, experimentierfreudige, dabei stets exzellente Berliner lautten compagney unter ihrem wachen, unkonventionellen Chef Wolfgang Katschner. Und so heißt es ab 6. April in der atmosphärisch kahlen, immer noch von den Schäden des Zweiten Weltkriegs kündenden Karl-Friedrich-Schinkel-Kirche St. Elisabeth in Berlin Mitte, die längst für die Kultur umgewidmet wurde: „Was ist Wahrheit?“
Diese Frage stellt sich bekanntlich Pilatus in dem Scheinprozess, mit dem Jesus zum Tod verurteilt werden soll. Ein Satz, zwei Jahrtausende alt, heute so aktuell wie nie, gibt Bachs Johannes-Passion eine ungeahnte gesellschaftspolitische Dimension. Nicht nur aufgrund der Ereignisse an Europas Ostgrenze seit vier Wochen.
Als Koproduktion der lautten compagney, der SingFest Choral Academy Hong Kong und der Thüringer Bachwochen will dieses spannende Projekt unter der musikalischen Leitung von Wolfgang Katschner und in der Regie des Chinesen Patrick Chiu (Hongkong) zu einem angesichts des Stoffes überraschenden und ebenso sinnlichen wie intellektuellen künstlerischen Diskurs über die Gegenwart eingeladen – mit durchaus offenem Ausgang.
„WAHRHEIT! Bachs Johannespassion als Schauprozess“ sucht als szenische Aufführung in einer zeitgenössischen Bildsprache ganz direkte Erkenntnisse. Vor allem zu dem Komplex „Wie beantworten wir die Frage nach individueller Wahrheit und Freiheit gegenüber einem übermächtigen Staatsapparat?“ In einem Konzept, das die historische und sakrale, ja ritualisierte Musik Bachs mit zeitgenössischer Choreografie und weiteren theatralen Elementen verbindet, treffen Sichtweisen der europäischen und der asiatischen Kultur inspirierend aufeinander.
Die europäische Idee der historisch informierten Aufführungspraxis korrespondiert mit dem modernen Blick einer jungen asiatischen Künstlergeneration, der die tieferliegende Thematik des Stoffes in ihrem tagespolitischen Alltag schmerzlich und bedrohlich präsent ist – notfalls bis zur letzten Konsequenz.
6./7./12./13.4. – Berlin, Elisabethkirche
9.4. – Erfurt, Theater (Thüringer Bachwochen)
Matthias Siehler, 26.03.2022, Online-Artikel
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