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(c) Uschi Schmidt
Schneeweißer Marmor und funkelnde Edelsteine, Blattgold und Perlmutt, edle Hölzer und berauschender Rosenduft: Diese Stadt scheint einem paradiesischen Märchen aus Tausendundeiner Nacht entsprungen – und mittendrin die bezaubernde Prinzessin Lea… Das helle Lachen der Bildschönen holt einen wieder zurück in die nüchterne Welt der Gegenwart, und doch zeigt sich auch Lea Birringer sichtlich beeindruckt, als die Geigerin von ihrem Landausflug nach Abu Dhabi erzählt: „Einerseits wird man geradezu erschlagen von dem Prunk in dieser Stadt der Superlative – andererseits wirkt dieser völlig überladene Kunst-Reichtum auf seine Art wiederum sehr geschmackvoll.“ Und gehört zweifellos zu den beeindruckendsten Bildern auf ihrer jüngsten Konzerttournee – oder sollten wir lieber sagen Urlaubskreuzfahrt?
Nun, in diesen Zeiten auf der „MS Europa“ durch das Mittelmeer zu schippern, bringt nicht zuletzt angesichts der wärmeren Temperaturen im Süden zweifellos Glücksgefühle mit sich – und doch bedeuteten diese zwei Märzwochen für die gebürtige Saarländerin („Solange nicht zu starker Seegang herrscht, ist solch eine Tour schon eine schöne Angelegenheit…“) eben auch Arbeit mit ihrem Instrument: Schließlich standen auf dem Luxusliner regelmäßig Kammermusikabende mit ihrer pianierenden Schwester Esther auf dem Programm, kam das Duo trotz Sonne nicht um das tägliche Schwarzbrot des Übens und gemeinsamer Proben umhin. Auch wenn die auf solchen Reisen üblichen virtuosen „Zirkusstückchen“ vermutlich nicht der allergrößten Vertiefung bedurften, oder?
Für einen Moment verfliegt ob solcher Klischees dann doch die Lockerheit und gelöste Stimmung Lea Birringers. „Wir spielen keineswegs nur ein Zirkusstück nach dem anderen, sondern haben Mozarts e-Moll-Sonate ebenso musiziert wie ich Lera Auerbachs ‚par.ti.ta‘ für Solo-Violine.“ Und ohnehin lässt die Künstlerin nichts auf ihr Publikum kommen, sei es nun hier an Bord oder sonst im Konzertsaal: „Man muss sich einfach nur etwas trauen – die Menschen sind bei der Programmzusammenstellung in der Regel sehr offen.“ Was zweifellos auch an ihrer ebenso charmanten wie kommunikativen Art liegt, mit der die dunkelhaarige Geigerin durch ihre Solo-Abende wie auch die Kammermusikkonzerte führt: „Das baut Brücken und lässt Barrieren fallen“, hat sie beobachtet. Und dass ihr jüngst ausgerechnet nach dem zeitgenössischen Auerbach-Werk ein Zuhörer zu dieser Werkauswahl gratulierte und nach dem Auftritt das Gespräch über die russische Komponistin suchte, hat die neugierige Musikerin einmal mehr darin bestätigt, sich ihre Stücke abseits des (Veranstalter-)Mainstreams zu wählen.
Gerade so, wie die groß gewachsene, schlanke Frau mit den dunkelbraunen Augen schon seit bald einem Jahrzehnt ihre Alben konzipiert: „Wir haben uns damals überlegt, dass wir gern Werke auswählen möchten, die noch nicht so oft eingespielt worden sind“, erinnert sich die Geigerin an die Entstehung der ersten CD mit ihrer Schwester – das Ergebnis war eine Kombination von Sonaten Respighis, Hindemiths und Szymanowskis. Und ebnete den Weg für die folgenden Birringer-Aufnahmen: Ob nun Franck, Castelnuovo-Tedesco, Knorr oder auf ihrem jüngsten Album Christian Sinding – stets hat die Musikerin klug vertraute Namen mit unbekannten Werken verbunden. Und das keineswegs aus wohl kalkulierten Marketinggründen, sondern ob ihrer künstlerischen Neugier und der persönlichen Freude an Entdeckungen, der nun auch die Hofer Symphoniker gefolgt sind: „Mendelssohns Violinkonzert ist mir schon seit meinem elften Lebensjahr vertraut – Sinding indes hatte ich vor dieser Aufnahme noch nie gehört“, erzählt Birringer. „Doch sein A-Dur-Konzert hat gleich am Anfang einen wahren Ohrwurm, den ich beim Autofahren immer wieder vor mich her gesungen habe – und seine ‚Romanze‘ fand ich sofort wunderschön: Das war Liebe auf den ersten Blick und das erste Hören!“
Eine zweite Liebe indes hat Lea Birringer, die im Gegensatz zu vielen Kollegen ein modernes Instrument aus dem Jahr 2013 spielt, für diese Produktion außen vorgelassen: ihre Schwester. Ohne das geschwisterliche Verhältnis nun in rosaroten Tönen malen zu wollen – „Bei allen Geschwistern gibt es auch mal Streit: alles andere wäre gelogen“ –, haben die beiden doch über die familiären Bande hinaus auch künstlerisch ein sehr enges Verhältnis. „Im Duo ist es sehr wichtig, sich musikalisch und interpretatorisch zu finden – und wir haben uns bisher immer gefunden.“ Selbstbewusste Töne? Nun, am Ende wohl doch eher die lange Vertrautheit mit der Klavierpartnerin aus der eigenen Familie. Was nicht heißt, dass nicht eine jede von ihnen auch ihre eigenen künstlerischen Wege ginge, sei es nun im Studio oder im Konzertsaal – „doch zwischendurch finden wir dann immer wieder zusammen“. Dabei hätte die jüngere Schwester allen Grund gehabt, der älteren gram zu sein: Als die sechsjährige Esther nämlich seinerzeit mit dem Klavierunterricht begann, offenbarte die dreijähre Lea ebenfalls großes Interesse für das Tasteninstrument – doch der Lehrer meinte nur, das sei keine gute Idee, sie solle lieber ein Stockwerk höher zu seiner Frau gehen, die würde Geige unterrichten…
Rückblickend betrachtet ohne Frage eine kluge Entscheidung, lacht die früh von den Tasten Vertriebene: „Das ist schon gut so – ich bin eine absolute Nulpe am Klavier.“ Und hat zudem den Vorteil mit sich gebracht, dass die beiden Schwestern schon seit Kindesbeinen gemeinsam musiziert haben: „Wir kennen uns nicht nur auf musikalischer Ebene in- und auswendig und können uns blind aufeinander verlassen.“ Was den unschlagbaren Vorteil beschert, sich allein auf die Interpretation und Musikalität konzentrieren zu können – selbst in einer die Gedanken verwirrenden Märchenwelt aus Tausendundeiner Nacht…
Christoph Forsthoff, 09.04.2022, RONDO Ausgabe 2 / 2022
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