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(c) Iko Freese
Manche Klischees behalten doch Recht. Mit „Orfeo ed Euridice“ etwa wuchs Christoph Willibald Gluck tatsächlich unerhört über sich hinaus (so wie, mit Verlaub, Georg Friedrich Händel im „Messiah“). Wundersam zarte Schattenzonen, harmonische Zwielichte und Paradieses-Ecklein gibt es da. Das Werk braucht in Berlin trotzdem kein Mensch – erst recht nicht in der ständig bevorzugten italienischen Fassung (zuletzt in Berlin an der Staatsoper, wo man das auch besser besetzen kann). Und doch wird die Premiere an der Komischen Oper von keinem einzigen Buh getrübt.
Regisseur Damiano Michieletto verwandelt den Mythos in eine moderne Paargeschichte. Vor weißem Licht-Trichter finden wir uns wie in einer Bühnenversion von Ingmar Bergmans „Szenen einer Ehe“ wieder. An einem Tisch sitzen sich Zwei gegenüber – und preisen einander, weil sie sich nichts mehr zu sagen haben. Das Happy End kommt, indem man im Scheitern der Liebe einander wiederfindet. Fast so wie damals bei Liv Ullmann.
Michieletto hat ein Paar kuriose Bildeinfälle: die kalte Dusche etwa, mit der Eurydike wieder zum Leben erweckt wird, und deren Wasser in den Orchestergraben abläuft (und dort für nasse Füße sorgt). Oder den Tanz der Schatten mit der Asche der Verstorbenen. Carlo Vistoli singt den Orpheus mit phonstarkem, dramatisch großem Countertenor – ein wenig vordergründig. Nadja Mchantaf hat schöne Bitterstoffe im Sopran, ist aber deutlich aus anderen Repertoiregebieten zugereist. Als Spielmacher Amor hat Josefine Mindus den dankbarsten Part. Leider wird allen von Dirigent David Bates – mit schöner Hand-Choreografie, aber ohne jede Schlagtechnik – plakativ eingeheizt. Sehr laut, struppig und herb klingt das. Der Abend, das muss zugeben, sieht sehr schön aus, ist toll beleuchtet, er gefiel den Leuten. Mir auch. Und wir dürfen feststellen: Hier ist ein italienischer Regisseur, über den nachzudenken sich lohnt. So etwas sagt sich nicht alle Tage. Damiano Michieletto heißt er. Aus Venedig ist er.
Robert Fraunholzer, 19.02.2022, RONDO Ausgabe 1 / 2022
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