home

N° 1297
18. - 24.03.2023

nächste Aktualisierung
am 25.03.2023



Startseite · Oper & Konzert · Da Capo

(c) Iko Freese

Da Capo

Berlin, Komische Oper – Gluck: „Orfeo ed Euridice“

Manche Klischees behalten doch Recht. Mit „Orfeo ed Euridice“ etwa wuchs Christoph Willibald Gluck tatsächlich unerhört über sich hinaus (so wie, mit Verlaub, Georg Friedrich Händel im „Messiah“). Wundersam zarte Schattenzonen, harmonische Zwielichte und Paradieses-Ecklein gibt es da. Das Werk braucht in Berlin trotzdem kein Mensch – erst recht nicht in der ständig bevorzugten italienischen Fassung (zuletzt in Berlin an der Staatsoper, wo man das auch besser besetzen kann). Und doch wird die Premiere an der Komischen Oper von keinem einzigen Buh getrübt.
Regisseur Damiano Michieletto verwandelt den Mythos in eine moderne Paargeschichte. Vor weißem Licht-Trichter finden wir uns wie in einer Bühnenversion von Ingmar Bergmans „Szenen einer Ehe“ wieder. An einem Tisch sitzen sich Zwei gegenüber – und preisen einander, weil sie sich nichts mehr zu sagen haben. Das Happy End kommt, indem man im Scheitern der Liebe einander wiederfindet. Fast so wie damals bei Liv Ullmann.
Michieletto hat ein Paar kuriose Bildeinfälle: die kalte Dusche etwa, mit der Eurydike wieder zum Leben erweckt wird, und deren Wasser in den Orchestergraben abläuft (und dort für nasse Füße sorgt). Oder den Tanz der Schatten mit der Asche der Verstorbenen. Carlo Vistoli singt den Orpheus mit phonstarkem, dramatisch großem Countertenor – ein wenig vordergründig. Nadja Mchantaf hat schöne Bitterstoffe im Sopran, ist aber deutlich aus anderen Repertoiregebieten zugereist. Als Spielmacher Amor hat Josefine Mindus den dankbarsten Part. Leider wird allen von Dirigent David Bates – mit schöner Hand-Choreografie, aber ohne jede Schlagtechnik – plakativ eingeheizt. Sehr laut, struppig und herb klingt das. Der Abend, das muss zugeben, sieht sehr schön aus, ist toll beleuchtet, er gefiel den Leuten. Mir auch. Und wir dürfen feststellen: Hier ist ein italienischer Regisseur, über den nachzudenken sich lohnt. So etwas sagt sich nicht alle Tage. Damiano Michieletto heißt er. Aus Venedig ist er.

Robert Fraunholzer, 19.02.2022, RONDO Ausgabe 1 / 2022



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Tenor José Carreras (69) hat seine Abschiedstournee ab Oktober 2016 bekannt gegeben. Die Termine […]
zum Artikel

Gefragt

Martha Argerich

Lodernde Verweigerung

Sie ist ein Wunder an Nonkonformismus, Chaos und klavierspielendem Können: Nicht nur deshalb ist […]
zum Artikel

Volt & Vinyl

Volt & Vinyl

Carlos Kleiber

An dieser Aufnahme beißen sich seit 1976 alle nachfolgenden „La Traviata“-Dirigenten die […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Der spätbarocke Dichter Barthold Heinrich Brockes (1680–1747) begründete seinen Ruhm durch die 1712 entstandene Passionsdichtung „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“. Mit dieser hochemotionalen Schrift war er so erfolgreich, dass gleich 13 zeitgenössische Komponisten diese vertonten, darunter Händel, Keiser, Mattheson und Stölzel. Auch Georg Philipp Telemann lernte den Text 1716 kennen und schrieb in seiner Autobiographie, dass „dessen Poesie von allen […] mehr


Abo

Top