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(c) Bernd Uhlig
Dass der neue Berliner „Ring des Nibelungen“ auf so hoher Erwartungsflamme verkocht wird, dafür kann Regisseur Stefan Herheim nichts. Das Vorgängermodell von Götz Friedrich lief 33 Jahre. Auf die Frage, ob man sich eine solch lange Laufzeit überhaupt wünschen könne, replizierte Herheim schmallippig: „Nein.“ – Jetzt kam covidbedingt die finale „Götterdämmerung“ heraus, ohne dass ein „Siegfried“ überhaupt vorangegangen wäre. Es dominiert das Gefühl, man hätte den fehlenden 3. Teil trotzdem schon gesehen. Pulver verschossen?
Um „Eskapismus“ dreht sich Herheims Inszenierungskonzept. „Wir leben in einer Spielwelt“, so der Regisseur sehr richtig. Wir sind „spielsüchtig geworden und verlieren den Blick für die Regeln. Auch das Spiel mit toten Artefakten, zu denen die Oper zählt, gehört dazu“. Dummerweise sind für diesen inneren Rückzug die vielen Koffer, die sich auf der Bühne türmen, ein schlechtes Bild. (Exilanten zwar haben Koffer, innere Exilanten haben sie nicht.) Außerdem überkreuzt sich das Konzept mit dem autobiografischen Ansatz, nach dem hier alle Auftritte aus Wagners aufgeklapptem Wahnfried-Klavier erfolgen. Über allem spannt sich ein friesartiges Band voll geflügelter Germanengötter. Und nun?
Gottlob steuert Nina Stemme, wichtigste Wagner-Heroine der Gegenwart, ungeahnt bombige Spitzentöne bei; so als sei sie sich der Verantwortung einer Birgit Nilsson-Nachfolge wohl bewusst. Clay Hilley, ein Siegfried mit strammer Obelix-Figur, verfügt über staunenswert stimmliche Faustkraft. Thomas Lehman (Gunther) und Jürgen Linn (Alberich) liefern erquickend radikale Karikaturen eines Wagner-Panoptikums. Nur Gidon Saks als Hagen fehlt der Biss.
Dafür, dass Donald Runnicles hier auf dem Stamm-Parkplatz seiner Dirigierkompetenz angetroffen wird, ist sein Wagner recht mangelhaft disponiert (wenn auch vom Orchester gut exekutiert). Stehen hier einfach zu viele Koffer in Berlin? Wirklich auf der Durchreise befindet sich eigentlich nur der Regisseur selbst. Er übernimmt in Kürze das Theater an der Wien.
Robert Fraunholzer, 04.12.2021, RONDO Ausgabe 6 / 2021
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