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(c) Tommaso Tuzj
„Mein Lebensweg ist ungewöhnlich“, sagt Franziska Pietsch. „Das Ungewöhnliche ist, wie sich ein Kreis geschlossen hat.“ Ja, so kann man es auch ausdrücken. In der DDR als Wunderkind gefördert, wurde sie fallengelassen, ja boykottiert, weil der Vater von einer Musikertournee seinerseits nicht zurückgekehrt war. „Vor dem Fall der Mauer, 1986, gelang es uns endlich auszureisen“, um den Repressalien des sozialistischen Staates zu entkommen. Als die Wende kam, versetzte ihr das einen neuen Schock. „Oh Gott, jetzt kommt das alles wieder hoch...!“ Sie hatte schon wieder „das Gefühl: ‚Man versteht mich nicht‘“. Obwohl die großen Agenturen und das Konzertleben im Westen sie längst wollten, kam in den 90er Jahren der Break. Der Zusammenbruch.
„Ich merkte: Von der solistischen Laufbahn brauchte ich eine Auszeit“, so Franziska Pietsch. 1998 nahm sie eine Konzertmeisterstelle in Wuppertal an, 2006 wechselte sie nach Luxemburg. „Kein solistisches Spiel mehr, das war die Wende für mich“, erzählt sie. 2000 gründete sie das Trio Testore, 2014 aufgelöst zugunsten des Streichtrio Lirico. „Ein reiner Streicherklang, das war mein Traum. Wir sind neuerdings drei Frauen.“ Die Befreiung auf dem Kammermusikwege war so goldrichtig für sie, dass seither auch wieder solistische Auftritte möglich wurden. „Jetzt versuche ich, alle drei Sachen unter einen Hut zu bringen.“ Drei? Ja, denn im Duo ist Franziska Pietsch neuerdings auch wieder zu hören.
Auf ihrem neuen Album mit den beiden Bartók-Violinsonaten, gemeinsam mit Pianistin Maki Hayashida, ist zu hören, wie sich ihre – halb politische – Geschichte in Klang umsetzt. „Natürlich war David Oistrach für uns alle der Stern“, so Pietsch über ihre Klangursprünge und goldenen Ideale. Der markante, kompromisslose Ton, den sie selbst für Bartók ansetzt, könnte eher von Gidon Kremer inspiriert sein (den sie rückhaltlos respektiert). „Lieber als diese beiden ist mir inzwischen das Spiel des russischen Oistrach-Zeitgenossen Leonid Kogan.“ Wo Kremer intellektualisiere, habe Kogan „einfach nur gespielt“. So wie sie es, mit unverminderter Fähigkeit zum schönen Ton, auch tun will.
Die DDR hat nicht unbedingt viele große Geiger nachhaltig hervorgebracht. Franziska Pietsch verließ ihr Land Richtung Westen, nicht ohne, dass man ihr nachrief, man werde auch ihre Karriere im Westen zu verhindern wissen. Das ist nicht passiert. Manche Menschen aus dem Osten sagen, die Wende habe sie zehn Jahre ihres Lebens gekostet (bevor sie wieder auf die Beine kamen und sich beruflich neu positionieren konnten). Bei Franziska Pietsch waren es noch mehr. Nach langen Wanderjahren ist sie jetzt endlich da angekommen, wo sie hingehört. Bei sich. Welche innere Genugtuung das bedeutet, kann man selbst bei einem Komponisten wie Béla Bartók hören; dem es sonst gar nicht so sehr auf Schönheit ankam.
Auch um aus der gegenwärtigen Krise rauszukommen, kennt sie den richtigen Rat und die richtige Prognose: „Überleben wird nur, wer eine Passion hat. Und: die big names.“ Klar, dass man das eine nicht lernen kann. Und das andere sowieso nicht. Franziska Pietsch hat beides. Sie bleibt.
Odradek/Bertus
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