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Vergessener Spätromantiker: Anton Urspruch (c) Anton Urspruch-Gesellschaft e.V.
Trüffelschwein? Peter P. Pachl lacht: Ja, der Musikwissenschaftler und Kulturmanager hat schon eine Spürnase für verborgene Schätze, vor allem wenn es um „verschüttete“ Werke des spätromantischen Repertoires geht. Opern etwa wie „Die heilige Cäcilia“ des Frankfurters Anton Urspruch, deren Uraufführung der Bayer nun am 21. November in Hattingen selbst inszeniert. Anton wer? Zu Lebzeiten war Urspruch durchaus berühmt, und das nicht allein als Privatschüler und Freund von Liszt: Auch in den damaligen Opernführern wurde etwa sein Musiktheater „Das Unmöglichste von Allem“ viel gelobt – und wer weiß, was aus dem Komponisten noch geworden wäre, hätte ihn nicht schon 1907, just während seiner „Cäcilien“-Arbeit, ein Herzinfarkt im 57. Lebensjahr dahingerafft.
So verschwand der Spätromantiker in der Versenkung der Musikgeschichte und sein letztes Werk blieb ein Torso. Bis Pachl – seit 1980 ist er künstlerischer Leiter des jenseits des Mainstreams agierenden „pianopianissimo musiktheater münchen“ – auf sein Schaffen stieß, sich nach einer ersten „Fährten-Witterung“ der Hinterlassenschaft annahm und im Kantor Ulrich Leykam einen Weggefährten fand. Ein Jahrzehnt lang hat sich der Kirchenmusiker intensiv mit den hinterlassenen Fragmenten auseinandergesetzt: Nun liegt die aufführungsreife Partitur vor. Eine „Gesinnungsoper“ nennt der Regisseur das Vier-Stunden-Werk rund um die Legende der heiligen Cäcilia, die um 200 n.Chr. in Rom den Märtyrertod starb: „Urspruch war Enkel eines jüdischen Kantors, seine Mutter ist heimlich zum Christentum konvertiert – ihr Schicksal hat ihn ein Leben lang sehr beschäftigt und das hat er in dieser Oper verarbeitet.“
Musikalisch habe Urspruch sich intensiv mit der Gregorianik befasst und in diesem Werk auch den gemeinsamen Wurzeln mit dem jüdischen Tempelgesang nachgespürt – was im Ergebnis zur „größten Choroper des 20. Jahrhunderts“ geführt hat, deren Doppelchörigkeit zum Auftakt dann im dritten Akt mit gleich drei Chören ihren Höhepunkt erfährt: „Es gibt kaum vergleichbare Werke, die den Chor derart fordern.“ In der Henrichshütte Hattingen werden sich Mitglieder verschiedener nordrhein-westfälischer Gesangsensembles dieser Herausforderung stellen – und Pachl ist überzeugt, dass die Wiederentdeckung des Komponisten nicht allein diesen Sängern vorbehalten bleibt. Wurde in seinen jungen Jahren noch „alles schräg angesehen, was nicht Mainstream war“, so hat der inzwischen 68-jährige in den vergangenen Jahrzehnten selbst erfahren, welch nachhaltige Wirkung solch ein Engagement für Vergessene, Verdrängte oder Verfemte haben kann: Als Teenager hatte er die „Internationale Siegfried Wagner Gesellschaft“ ins Leben gerufen, in Antiquariaten nach Klavierauszügen gestöbert und sich um die Aufführungen seiner Werke bemüht – heute gilt das Œuvre des Meistersohns nicht nur als gut erschlossen, sondern wird auch im Rundfunk immer wieder gespielt. „Es stimmt eben nicht, dass die Musikgeschichte lediglich aus ein paar Säulen besteht.“
Informationen unter:
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