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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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(c) Christoph Koestlin

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Benjamin Bernheim, Tenor-Star aus Frankreich, glaubt, dass Sänger früherer Generationen „viel ‚sexueller‘“ sangen, „als man sich das heute vorstellen kann.“ Das sagte er zuhause in Zürich. „Es ging darum: Wer kann am längsten, wer kann am lautesten und am stärksten?“ Das gehe heute nicht mehr, so Bernheim. Auf die Frage, ob er sich dann als „weniger sexy“ empfinde als diese Vorgänger, antwortete er einfach: „Nein. Aber ich glaube doch, dass Sänger von heute zurückhaltender, dosierter mit ihren sexuellen Reserven umgehen.“ Alte Musik-Legende William Christie hat nie erwogen, die Rolle des Karl Lagerfeld in Robert Carsens berühmter Inszenierung von „Platée“ selber zu übernehmen – obwohl es dem exzentrischen Dirigenten wohl zuzutrauen wäre. „Das wäre kaum möglich gewesen. Denn die Figur hat einiges zu singen. Das kann ich nicht.“ Ihm genüge es, „bei Konzerten auf der Bühne in ganzer Figur zu erscheinen“, so Christie. Carsen interpretierte 2014 die Rameau-Oper als eine Pariser Mode-Farce. Die Inszenierung liegt auch auf DVD vor. Demnächst erscheint eine CD-Gesamtaufnahme. Die amerikanische Regisseurin Lydia Steier, neuerdings Operndirektorin in Luzern, inszeniert gerne Händel, Puccini oder Maurizio Kagel. Mehr noch ist sie ein Fan der Filmmusicals und Tanzfilme von Hollywood-Regisseur Busby Berkeley. Von ihm stammen tanzwütige Judy-Garland-Filme wie „Babes in Arms“ (1939), „Strike Up The Band“ (1940) und „For Me And My Gal“ (1942). Schon als Assistentin habe sie sich an dieses Vorbild gehalten. „Der Kühlschrank-Tanz im ‚Fliegenden Holländer‘, den ich in Stuttgart für Calixto Bieito choreografiert habe, war reiner Busby Berkeley“, so Steier. Tenor-Legende Peter Seiffert, der gerade wohl seinen Bühnenabschied als Tristan im Festspielhaus Neuschwanstein feierte, wurde von der Covid-Krise zum Aufhören veranlasst. „Ich hatte zwei Jahre lang nicht gesungen“, so Seiffert in seinem Haus im österreichischen Klosterneuburg. „Die Moral war ganz unten.“ Da sei der Eindruck entstanden: „In bin fast raus. Ich bin gar kein wirklicher Sänger mehr.“ Seiffert stammte, ähnlich wie René Kollo, aus einer Schlager-Dynastie. Vater Helmut Seiffert komponierte unsterbliche Gassenhauer wie „Lass mich auch mal ran“, „Ich könnt’ schon wieder“ und „Der fummelt zu viel“. „Einige Titel wurden für den Kölner Karneval komponiert“, so Peter Seiffert, „durften im EMI-Studio allerdings nicht aufgenommen werden, weil es zu nah am Kölner Dom stand“. Er habe „im Background-Chor mitgewirkt“, so Seiffert. „Arise“, die neue Revue des Berliner Friedrichstadt-Palasts, ist durch „Materialmangel“ 600.000 Euro teurer geworden als vorherige Produktionen. Das gab Intendant Berndt Schmidt in Berlin an. „Derzeit herrscht Holzmangel, Stahlmangel, sogar Schraubenmangel“, so Schmidt. Die Kosten der auf mehrere Jahre Laufzeit angelegten Revue belaufen sich auf 11 Millionen. Alte Musik-Dirigent Philippe Herreweghe gilt als Großmeister für Sakralmusik, ist aber selber nicht religiös. „Ich habe eine religiöse, strenge Bildung genossen, hielt mich mit 14 Jahren am liebsten im Kloster auf und wollte Priester werden. Erst später bin ich mit der katholischen Kirche kritisch ins Gericht gegangen.“ Ein Bewunderer der christlichen Werte sei er geblieben – „von der christlichen Kunst ganz zu schweigen. Nur werden Sie mich sonntags in keiner Kirche finden.“ Er sei trotzdem spirituell eingestellt. „Die Verbundenheit mit dem Kosmos finde ich aber das Wichtigste im Leben überhaupt.“ Sopranistin Anna Prohaska kann den Folgen von Covid zumindest ein Gutes abgewinnen. „Die Leute husten weniger!“, so Prohaska in Berlin. Nicht nur in U-Bahnen und an anderen öffentlichen Orten, sondern auch im Konzert und in der Oper habe die Furcht, für infiziert zu gelten, zu einer Verbesserung des Hustverhaltens geführt.

Robert Fraunholzer, 06.11.2021, RONDO Ausgabe 5 / 2021



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