Startseite · Interview · Gefragt
(c) Innsbrucker Festwochen/Bacher
Wenn das mal keine knifflige Frage für alle noch so ausgeschlafenen Musiktheater-Spezialisten ist: Wer hat bereits vor Modest Mussorgski den russischen Potentaten Boris Godunow zum Titelhelden einer Oper gemacht? Die überraschende Antwort lautet: Es war der Barockkomponist Johann Mattheson! 1710 hatte er aus dem Stoff eine Art Politkomödie gemacht – die jedoch unaufgeführt blieb. Erst 2005 fand die Uraufführung statt. Und jetzt gehört diese Rarität zu den vielen Highlights, mit denen die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik einmal mehr ihren Ruf als Eldorado für Barockmusik- und eben auch für Opernfans unterstreichen. Seit 1976 gibt es dieses zunächst von René Jacobs geprägte Festival. Und auch sein Nachfolger Alessandro De Marchi, der 2010 die Künstlerische Leitung übernahm, besitzt dieses ausgesprochen sensible Näschen für Operntrüffel, wie sie jetzt zu erleben sind. Neben Matthesons „Boris Goudenow“ (Regie: Jean Renshaw) steht das von Dorothee Oberlinger dirigierte „Musicalische Hirten-Spiel“ von Georg Philipp Telemann auf dem Programm. Und De Marchi leitet die von Alessandra Premoli inszenierte, 1680 uraufgeführte Oper „Idalma“ von Bernardo Pasquini. In diesem Jahr steht das Festival unter dem Leitmotiv „Perspektiven“. Und welch weitere neue Blickwinkel und Hörvergnügen die weiterhin überraschende Alte Musik garantiert, spiegelt sich ebenfalls im reichlich prominent besetzten Konzertprogramm wider. Zusammen mit dem phänomenalen Ensemble Il pomo d’oro lässt der polnische Countertenor Jakub Józef Orliński die Zeit stillstehen – anhand von Arien aus der Feder von Cavalli, Händel & Co. Das französische Alte-Musik-Team Café Zimmermann lädt mit Werken von Bach und Telemann ins gleichnamige wie legendäre Leipziger Kaffeehaus ein, wo einst große Musik geboten wurde. Mit Johann Sebastian Bachs „Brandenburgischen Konzerten“ gibt sich das nicht weniger international gefeierte Concerto Copenhagen die Ehre. Seinen Abschied vom Konzertbetrieb gibt hingegen, wegen auslaufender Förderverträge, Diego Fasolis mit seinem Ensemble I Barocchisti. In Innsbruck sind sie somit ein allerletztes Mal zu Gast – mit Francesco Durantes „Requiem“. Die Zukunft fest im Blick haben dagegen erneut all die Sänger und Sängerinnen, die traditionell beim im Rahmen der Festwochen stattfindenden Cesti-Gesangswettbewerb zu bestaunen sind. Und wer die Alte Musik einmal nicht in gewohnter Umgebung, also Konzert- oder Opernsaal erleben will, der ist auch bei den diversen „Opern-Air“-Angeboten gut aufgehoben. Denn feinste Barockmusik erklingt dann nicht nur im schmucken Hofgarten, sondern selbst in luftiger Höhe! „Musica Montana“ nennt sich das Konzert, für das man die Nordkette erklimmt, um etwa von der Arzler Alm aus eine traumhafte Aussicht zu genießen. Schöne Perspektivwechsel!
45. Innsbrucker Festwochen der Alten Musik – „Perspektiven“
13. Juli bis 29. August
www.altemusik.at
Tickets: +43 (512) 52074-504
Reinhard Lemelle, 22.05.2021, RONDO Ausgabe 3 / 2021
„Ich fühle mich der Bayerischen Staatsoper, dem Staatsorchester und nicht zuletzt dem […]
zum Artikel
Zeit für Bach
Nach einer längeren Auszeit meldet sich der Pianist zurück – wieder mit Bach, aber diesmal bei […]
zum Artikel
Zwei Temperamente
Auf ihrem neusten Album beleuchtet die Pianistin das Spannungsverhältnis zwischen Liszt und Chopin […]
zum Artikel
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Der spätbarocke Dichter Barthold Heinrich Brockes (1680–1747) begründete seinen Ruhm durch die 1712 entstandene Passionsdichtung „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“. Mit dieser hochemotionalen Schrift war er so erfolgreich, dass gleich 13 zeitgenössische Komponisten diese vertonten, darunter Händel, Keiser, Mattheson und Stölzel. Auch Georg Philipp Telemann lernte den Text 1716 kennen und schrieb in seiner Autobiographie, dass „dessen Poesie von allen […] mehr