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Der Kolonisator an seinem Instrument: Auch die Musik Johann Sebastian Bachs ist für die Musikwissenschaftler in Oxford Ausdruck weißer Überlegenheitsansprüche © pixabay.com
Kolonisation durch Klassik? Man hatte sich 2020 bekanntlich für Beethovens 250. Geburtstag viel vorgenommen. Doch das meiste wurde von Corona einfach ausgebremst oder ganz zunichte gemacht. Immerhin schwappte im Herbst letzten Jahres eine Meldung aus den USA herüber, bei der man zunächst an einen Aprilscherz dachte. Aber es war ernst gemeint, was der Musikwissenschaftler Nate Sloan und der Songwriter Charlie Harding da in ihrem Podcast „Switched on Pop“ über Beethoven dachten. Für die beiden Amerikaner steht Beethoven nämlich für eine elitäre, von Weißen dominierte klassische Musikkultur, die andere Kulturen und Minderheiten unterdrückt. Die einzige Konsequenz konnte also nur lauten: Der „alte weiße Mann“ Beethoven – weg mit ihm.
Über diese Abrechnung, mit der hier zwei No-Names den Kampf gegen die „weiße Herrschaft“ nun auch auf dem Gebiet der Klassik anfeuern wollten, hatte man 2020 eigentlich nur müde gelächelt und sie schon fast vergessen. Doch wie vieles, was aus den USA erst mit leichter Zeitverzögerung in Europa landet, ist jetzt das Beethoven-Bashing in England nicht allein auf fruchtbaren Boden gefallen. Ausgerechnet in der Musikwissenschaft an der Elite-Uni in Oxford pflegt man inzwischen den Geist der grassierenden Cancel Culture besonders eifrig. Denn da einige Professoren der Überzeugung sind, dass neben Beethoven auch Bach und Mozart zu den maßgeblichen Repräsentanten einer „white supremacy“ gehören, will man den Lehrplan „dekolonialisieren“. Statt des Studiums der „weißen europäischen Musik aus der Sklavenzeit“ (O-Ton!) sollen nichtwestliche Klänge, statt Schubert „afrikanisch-diasporische Musik“ unterrichtet werden. Zugleich wird das westliche Notensystem in Frage gestellt, da es ein „kolonialistisches Repräsentationssystem“ widerspiegeln würde. Und überhaupt soll man als zukünftiger Musikwissenschaftler keine Fertigkeiten etwa an einem Knecht- und Folter-Instrument wie dem Klavier besitzen. Alles Schritte also, um gerade die schwarzen Studenten nicht länger mehr „in Bedrängnis“ zu bringen, wie es die Universität Oxford formulierte. Tatsächlich aber gibt es daneben noch reichlich Musiker jeglicher Hautfarbe, die sich allzu gerne mit den Kunstwerken der nun so verpönten „Weißen“ beschäftigen. Wie etwa die Mitglieder des 2015 in England gegründeten Chineke! Orchestras, über dessen treffliches Motto man in Oxford mal nachdenken sollte: „Den Wandel fördern und Vielfalt in der klassischen Musik zelebrieren“.
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