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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Bachs Geist aus Mahlers Händen: Der Neuerwerb des Bach-Archivs Leipzig © Bach-Archiv Leipzig

Pasticcio

„Als Kind zu seinen Füßen sitzend…“

Wie alle großen Komponisten wusste natürlich auch Gustav Mahler, was er alles den musikalischen Leitsternen und Idolen zu verdanken hatte. Doch im Gegensatz zu so manchen Kollegen erstarrte er bei seiner Beschäftigung mit der Tradition nicht in Ehrfurcht. Mahler legte bisweilen nachschöpferisch an den heiligen Partituren Hand an und passte – wie im Fall der 9. Sinfonie von Beethoven sowie der Schumann-Sinfonien – die Orchestrierungen an den Geschmack seiner Zeit an. Zu hören bekommt man diese immerhin „exotischen“ Mahler-Bearbeitungen aber im Konzertbetrieb so gar nicht. Was ebenfalls für seine etwas andere Bach-Suite gilt, die er für seine erste Saison als neuer Chef der New Yorker Philharmoniker eingerichtet hatte. Am 10. November 1909 läutete Mahler da die von ihm initiierte Reihe „Historische Konzerte“ mit Werken von Händel, Rameau, Haydn und eben Bach ein. Von ihm hatte er einige Sätze aus den Ouvertüren BWV 1067 und BWV 1068 für modernes Orchester eingerichtet.
„In Bach sind alle Lebenskeime der Musik vereint wie in Gott die Welt!“. Mit diesen Worten outete sich Mahler einmal gegenüber seiner Freundin Natalie Bauer-Lechner als Bach-Jünger. „Von Bach lerne er immer mehr und mehr – freilich als Kind zu seinen Füßen sitzend.“ Wie weit seine Bach-Schwärmereien gingen, ließ sich aber auch an der Bibliothek seines legendären Komponierhäuschens am Wörthersee ablesen. Da bogen sich die Bretter unter den Gesamtausgaben von Kant und Goethe. Und wie seine Frau Alma Mahler bestätigte, war „an Noten nur Bach“ zu finden. Tatsächlich war Mahler stolzer Besitzer der ersten Bach-Gesamtausgabe, die zwischen 1851 und 1900 in Leipzig erschienen war. Und dieses 59 Bände umfassende Konvolut hat jetzt einen neuen Besitzer gefunden. Es ist das Bach-Archiv Leipzig, das Mahlers Bach-Ausgabe von einem Londoner Privatsammler erwerben konnte. Peter Wollny, Direktor des Bach-Archivs: „Bisher befanden sich die Bände stets in Privatbesitz und standen für eine wissenschaftliche Auswertung noch nie zur Verfügung. Das Potential für neue Erkenntnisse und eine revidierte Bewertung von Mahlers Bach-Interpretationen erscheint sehr hoch.“ Zahllose wertvolle Eintragungen erzählen dabei von seinem Bach-Verständnis. Und selbstverständlich finden sich darunter auch handschriftliche Notizen zu seiner Bach-Suite.

Guido Fischer



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