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(c) Paul Leclaire
Sie ist wieder bemerkenswert lebendig: Erich Wolfgang Korngolds einstige Erfolgsoper „Die tote Stadt“ wurde zum 100. Uraufführungsjubiläum in Brüssel und Köln Corona-kompatibel zelebriert. Am Rhein hat man die Erinnerungspremiere sogar termingenau ins Internet gerettet. Eine Zelle der Perversion, der gelebten Süchte. Paul nennt sie „Kirche des Gewesenen“, wo er die Erinnerung an seine tote Frau Marie als Kult konserviert und in der Tänzerin Marietta wiederzufinden scheint. Das am 4. Dezember 1920 gleichzeitig in Köln und Hamburg erstmals gegebene Erfolgsstück des 23 Jahre alten Korngold ist die visionäre Vorwegnahme der filmischen Psychosen eines Alfred Hitchcock. Lange war dieser Sensationsopernerfolg der Weimarer Republik entschwunden, doch verzeichnen die Opernspielpläne allein zwischen 2016 und 2020 etwa 22 Produktionen dieses schillernd-suggestiven Klangerotikons. In Köln härtet, hämmert und halluziniert Gabriel Feltz mit Verve und Schmackes. Dagegen setzt Regisseurin Tatjana Gürbaca auf einem Table-Dance-Set szenisch auf Ernüchterung und Klarheit. Burkhard Fritz singt den schmuddelig vegetierenden Paul mit fahriger Heldenexaltation. Aušrine Stundyte gibt die Marietta als Regentin des aseptischen Lasters. Insgesamt mehr ein gefrorener Striptease der Seele als Opernreise in die Nacht der Triebe. Auf der Webseite des Brüsseler Théâtre de la Monnaie gab es – auf zwei Stunden Spielzeit gekürzt und mit verkleinertem, hinter der Szene platziertem Orchester unter dem willigen Lothar Koenigs – eine Corona-konforme Inszenierung von Marius Trelinski mit minimalistischpsychologischem Touch in drei Neonkästen. Paul singt der am Ende etwas ermüdete Roberto Saccà. Marlis Petersen in der für sie idealen Doppelrolle ist burschikos frecher Vamp und die Somnambule als schöne Teilnahmslose. Egal, ob man „Die tote Stadt“ als Blendwerk abtut oder als Geniestreich eines Frühvollendeten begreift: Gerade heute gefällt sie als sehnsuchtsvoll nostalgischer, wie aus einer Schneekugel geschüttelter Erinnerungsmoment magischen Opernsurrealismus.
Matthias Siehler, 20.02.2021, RONDO Ausgabe 1 / 2021
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