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N° 1353
13. - 24.04.2024

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am 20.04.2024



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(c) Javier del Real

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Sopranistin Sonya Yoncheva hat ein ambivalentes Verhältnis zu Foto-Shootings. „Mit Makeup, Hairstyling und Ankleiden geht dabei immer ein ganzer Tag drauf“, sagte die Sängerin am Genfer See, wo sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Dirigenten Domingo Hindoyan, und den beiden Kindern lebt. „Ich mag aber die Resultate“, so Yoncheva über die entstehenden Fotos. Das sei der Grund dafür, dass es so viele Fotostrecken mit ihr gebe. „Ich möchte immer neue Dokumente des Zustands sehen, in dem ich gerade bin. Fröhlicher ausgedrückt: Ich möchte neue Falten immer sofort zeigen …!“

Pianist Alexandre Tharaud glaubt, dass ihm selbst ein Genauigkeitsfanatiker wie Arturo Toscanini darin zustimmen würde, „dass wir alle heute in der Gefahr stehen, viel zu perfekt zu sein“. Toscaninis eigene Akkuratesse werde erst durch die nicht perfekten Aufnahmebedingungen seiner Zeit genießbar, ebenso wie dadurch, dass die Hörner nicht gut waren und er selber ständig „ächze und schnaufe“. – „Nachdem ich gefühlt fünfzig CDs eingespielt habe, weiß ich endlich, wie wichtig es ist, unperfekt zu spielen.“

Wagner-Heroine Luana DeVol (77) lebt seit dem Ende ihrer Gesangskarriere in Las Vegas. „Eine Spielerin bin ich nicht“, so DeVol über die Nachbarschaft zu Bingo, Roulette und einarmigen Banditen. „Ich lebe in Henderson, nur wenige Straßen entfernt vom Strip.“ Die Wohnung, ursprünglich ein Sommerhaus, besitze sie schon seit 1996. „Es hatte steuerliche Gründe, außerdem wollte ich in der Nähe meiner Eltern sein.“ Heute coacht sie junge Wagner-Sänger im „Institute for Young Dramatic Voices“ in Reno. „Spielen tue ich höchstens Tennis für 1 Cent.“

Dirigent Ingo Metzmacher ist ein Feind von Übertitelungs-Anlagen in der Oper. „Übertitel finde ich eine ganz schreckliche Sache“, sagte er in Wien. Denn: „Umso weniger textverständlich wird gesungen!“ Dadurch, dass die Zuschauer nicht mehr auf die Textverständlichkeit angewiesen seien, würden Sänger die richtige Artikulation nie lernen. Damit gerate die Musik vollständig aus dem Lot. „Hören Sie sich einen Sänger der 50er-Jahre wie etwa Wolfgang Windgassen an! Man verstand jedes Wort. Wagner, wenn er die heutige Entwicklung sähe, würde sich im Grab umdrehen.“

Klaus Wallendorf, pensionierter Hornist der Berliner Philharmoniker, berichtet in seinem neuen Buch „Zwischen Mundstück und Mikrofon“ von goldenen Jahren der Philharmoniker-Herrlichkeit. Zu Karajans Zeiten sei die Decke in der Musiker-Kantine in der Berliner Philharmonie „von Einschussmarkierungen“ durchlöchert und gemustert gewesen. Diese rührten von „zahllosen explosiven Champagnerentkorkungen“ her. So sehr hatten die Honorare aus Schallplattenerlösen die Stimmung der Philharmoniker gehoben. Leider vorbei.

Mezzo-Röhre Anita Rachvelishvili muss in ihrer Karriere völlig auf Alkohol verzichten. „Fast alle Sänger entwickeln spätestens nach zehn Jahren ein fatales Reflux-Problem. Es lässt sich nur mit strenger Diät und klaren Einschränkungen bewältigen.“ In ihrem Fall bedeute dies: „Kein Kaffee! Kein Alkohol! Auch keine Gewürze.“ Ihr Speiseplan – mit Haferflocken und vielen Äpfeln – „gehört zu den gesündesten, aber auch langweiligsten, die ich kenne“. Es helfe aber alles nichts. „Ein Fehltritt, und schon kommt die Rechnung hinterher.“

Reinhard Goebel, legendärer Gründer der Musica Antiqua Köln, hat eine eigene Erklärung dafür, warum so wenige männliche Geiger schwul sind. „Ich glaube, wenn man früher gemerkt hat, dass da was im Busch ist“, so Goebel, „ging man grundsätzlich nicht ins Orchester“. Warum? Weil die Orchester in früheren Jahrzehnten fast durchweg „heterosexuelle Männerbünde waren“. – Das erklärt freilich noch nicht, warum es so wenige homosexuelle Star-Geiger gibt. „Große Geiger“, so Goebel, „greifen lieber zur Flasche.“

Robert Fraunholzer, 19.12.2020, RONDO Ausgabe 6 / 2020



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