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N° 1353
13. - 23.04.2024

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am 20.04.2024



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(c) Monika Rittershaus

Da Capo

Schluss mit lustig

Berlin, Komische Oper: Offenbachs „Die Großherzogin von Gerolstein“

Diese Operette sei die wahre „Antwort“ auf Covid-19. So Barrie Kosky kürzlich. Nun, Jacques Offenbachs „Großherzogin von Gerolstein“, einer der kapitalsten Erfolge des Komponisten, war jedenfalls ewig nicht in Berlin zu sehen. Was uns die Militarismus-Farce in Zeiten abgeschaffter (oder ausgesetzter) Wehrpflicht zu sagen hat, ist die Frage. Kosky weiß es auch nicht. Die Herrscherin eines Mini-Imperiums – hier gespielt von einem Mann – lässt militärische Puppen tanzen, um die eigene Langeweile zu vertreiben. Es geht um Krieg aus Unterhaltungssucht. Während Kosky mit „La Belle Hélène“ und „Orpheus in der Unterwelt“ gute Offenbach-Erfolge verbuchte (in Berlin und Salzburg), will er indes hier, bei der letzten Premiere vor dem Lockdown, „2,5 Stunden komplette Blödheit“ verzapfen. Das ist ein schöner Vorsatz – für Slapstick-Freunde wie mich. Nur leider: Abendfüllend ist es nicht. Gespielt wird auf leerer Brecht-Bühne. Einzig bewohnbare Kürbisse, die Klaus Bruns geschneidert hat (und die von Haus aus Sicherheitsabstand garantieren), sind sehr schön und witzig. Das langjährige Ensemblemitglied Tom Erik Lie ist schon früher an der Komischen Oper in drag aufgetreten. An ihm liegt der Misserfolg nicht, obwohl er reichlich auf Sicherheit spielt und sich bemüht, die Herrscherin mit Kieksern und Spreizern zu finden – und zu halten. Seitenweise fällt er ins Norwegische, seine Muttersprache, zurück. So als ob es am Ende, da man ohnehin kaum ein Wort versteht, darauf auch nicht mehr ankommt. Aus dem Graben pusten 18 Musiker Exerzierrhythmen herauf, wo getanzt werden sollte. Der Abend lehrt, dass ein lustiges Casting, originelle Reifröcke und ein noch so gutes Handwerk nichts nützen, wenn inhaltlich tote Hose herrscht. Es handelt sich um die schlechteste Inszenierung in Koskys gesamter, epochaler Operetten-Strecke. Schon bedenklich. Auch robusteste Talente können offenbar der gegenwärtigen Krise nichts Komisches abgewinnen. Es ist, als schlüge das Virus bis auf die Inhalte durch.

Robert Fraunholzer, 05.12.2020, RONDO Ausgabe 6 / 2020



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