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(c) Pauce/naïve
Schon immer war Monsieur der festen Überzeugung, dass das Cello mit seinem Klang und Timbre der menschlichen Stimme am nächsten kommt. Und den Beweis für diese Gewissheit trat Christian-Pierre La Marca schon vor fünf Jahren an, als er auf seinem Album „Cantus“ und gemeinsam mit den heiligen Hochtönern Patricia Petitbon und Philippe Jaroussky Arrangements von Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart „sang“. Auch für sein aktuelles Album hat La Marca sein Cello wieder in ein vielstimmiges Instrument verwandelt. Vom Landsmann und Zeitgenossen Thierry Escaich spielt er einen eindringlichen und dramatisch verwirbelten „Cantus“. Im Mehrspurverfahren verwandelt sich La Marca in Henry Purcells herzzerreißendem „Dido’s Lament“ in einen Trauerchor. Mit sanften Pizzicati wird dann „Yesterday“ von den Beatles gespickt. Und auch hier erweist sich La Marca auf seinem Vuillaume-Cello von 1856 als ungemein tonschöner und atmender Sänger vor dem Herrn. Das Cello als menschliche Stimme ist aber nur ein roter Faden, der sich durch La Marcas Solo-Debütalbum zieht. Den zweiten großen Programmbogen bildet die Vielsprachigkeit seines Instruments. „Für ‚Cello 360‘ habe ich ein auch sehr persönliches Programm rund um das unbegleitete Cello gebaut, bei dem sehr gegensätzliche Epochen und Stile aufeinandertreffen“, so der knapp 40-Jährige. „Zunächst habe ich Stücke erforscht, die ich besonders mag und die für den Vorfahren des Cellos, für die Viola da Gamba komponiert wurden. Die Idee dabei, sie neben Meisterwerke aus der modernen und zeitgenössischen Musik zu stellen. Es gibt eine große Lücke im Repertoire für unbegleitetes Cello zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert: Es ist in der gesamten Romantik fast nichts überliefert. Erst später erlangte das Instrument seine Freiheit, auch dank der großartigen Cellisten und der Musik, die sie in Auftrag gegeben haben.“ Das Spektrum von „Cello 360“ reicht dementsprechend von den beiden französischen Gamben-Granden Monsieur de Sainte-Colombe und Marin Marais bis weit ins 20. Jahrhundert – bis zur teuflisch schweren Cello-Sonate von György Ligeti sowie den „Trois Strophes sur le nom de SACHER“, die Henri Dutilleux einst für Mstislaw Rostropowitsch komponiert hat. Und neben Piècen von Jean-Philippe Rameau und Georg Philipp Telemann findet sich ebenfalls Charlie Chaplins „Smile“ sowie Pablo Casals’ „El cant dels ocells“. Diese musikalische 360-Grad-Umrundung des Cellos spiegelt aber auch das vielsaitige Interesse von Christian-Pierre La Marca wider, der unter anderem bei Steven Isserlis studiert und sich in Meisterklassen etwa von Rostropowitsch und Heinrich Schiff den Feinschliff geholt hat. So arbeitet La Marca genauso mit Originalklang-Ensembles wie Les Ambassadeurs und Les Siècles zusammen wie mit Komponisten vom Schlage eines Jörg Widmann und György Kurtág. Dass Christian-Pierre La Marca aber nicht nur ein großartiger Allrounder, sondern gleichermaßen beeindruckend bei Stimme ist, kann er eben jetzt auf „Cello 360“ zeigen. Wobei er nebenbei in dem folkloristisch gewürzten „Lamentatio“ seines italienischen Cello-Kollegen Giovanni Sollima beweist, dass er nicht nur den Cello-Bogen, sondern auch die eigenen Stimmbänder einzusetzen versteht.
Guido Fischer, 12.12.2020, RONDO Ausgabe 6 / 2020
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