home

N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Startseite · Musik-Krimi

Musik-Krimi

Folge 44: Ein Brief an Fauré

Es geht also um dieses Stück hier“, sagte Doktor Stradivari. „Ich bin so frei.“ Er nahm eine CD aus dem Regal, schob sie in den Player und startete sie. Herrliche Kammermusik flutete durch den Salon. Professor Birnenkamp, der hier zu Hause war, nahm die Eigenmächtigkeit des Doktors gelassen hin. „Das erste Klavierquartett von Gabriel Fauré, ganz recht“, sagte er. „Das Finale ist besonders schön.“ Er lächelte, während über Kaskaden gebrochener Klavierakkorde die Streichinstrumente ein Motiv verströmten, das wie eine Brandung an Felsen zu drängen schien, bis nach einer harten Forte-Attacke aller Instrumente im selben punktieren Rhythmus die Bratsche ein weicheres Motiv anstimmte. „Wir sollten bei der Sache bleiben“, mahnte Hauptkommissar Reuter und drehte die Musik leiser. „Was haben Sie zu unserem Verdacht zu sagen, Herr Professor?“ Die „Sache“ war der Mord an einem gewissen Simon Kramer, einem begeisterten Flohmarktgänger und Handschriftensammler. Bei ihm war eingebrochen worden. Er hatte den Einbrecher wohl überrascht, der ihn dann wiederum umbrachte. Reuter und seinen Beamten war eine Mappe aufgefallen, die offen auf Kramers Schreibtisch lag und in der offenbar etwas fehlte. Nur die Beschriftung des Sammlerstücks war noch zu lesen: „Brief an Fauré nach der Uraufführung des 1. Klavierquartetts am 14. Februar 1880 in Paris, vor allem zum Finale“. Zeugenaussagen aus der Nachbarschaft ergaben, dass es sich bei dem flüchtigen Täter um einen polizeibekannten Einbrecherprofi handeln musste, der mit Professor Birnenkamp vor drei Wochen telefoniert hatte. Birnenkamp wiederum war ein international renommierter Fauré-Forscher. „Das kann kein Zufall sein“, sagte Reuter. „Ich bin sicher, wir finden heraus, dass Sie den Täter beauftragt haben, den Brief zu stehlen. Wenn Sie jetzt aussagen und uns auch noch einen Hinweis geben, wo wir ihn finden, wird sich das günstig auf Ihr Strafmaß auswirken.“ „Strafmaß?“, rief Birnenkamp. „Beweisen Sie erst mal, dass dieser angebliche Brief überhaupt so bedeutend ist, dass er für die Forschung wichtig wäre. Was soll da schon drinstehen? Faurés erstes Klavierquartett war ein Erfolg. Sicher hat da jemand die üblichen Lobhudeleien von sich gegeben. Für die Wissenschaft völlig uninteressant. Selbst wenn ich einen Diebstahl in Auftrag geben würde, dann sicher nicht für so etwas Nebensächliches.“ Reuter nahm den Doktor zur Seite. „Was nun?“, fragte er. „Die Musik ist tatsächlich wunderbar. Vielleicht ist der Professor ja tatsächlich unschuldig. Obwohl das Telefonat natürlich immer noch verdächtig ist …“ „Keine Sorge“, sagte Stradivari. „Birnenkamp war der Auftraggeber, da bin ich ziemlich sicher. Wenn nicht, hätte er uns besser unterstützt und nicht solchen Unsinn erzählt.“ Was meint Doktor Stradivari damit?

Doktor Stradivari ermittelt – und Sie können gewinnen!

Wenn Sie die Lösung wissen, schreiben Sie sie an stradivari@rondomagazin.de oder postalisch an RONDO, Kurfürstendamm 211, 10719 Berlin – bitte auch Ihre Kontaktdaten nicht vergessen! Unter allen Zuschriften verlost RONDO in Kooperation mit dem Label Berlin Classics fünf Exemplare der fabelhaften neuen Einspielung der beiden Klavierquartette von Gabriel Fauré sowie ausgewählter „Mélodies“ durch das Fauré Quartett, das dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiern kann. Einsendeschluss ist der 6. November 2020. Viel Glück!

Auflösung aus Magazin 4/2020:

War es Neid unter Kollegen? Oder der Versuch, beim bereits vollständig besetzten Chorprojekt von Tobias Herzberg doch noch mitzusingen? Eine Renaissance-Motette ist keine Oper, und so lehnte der Dirigent beim Vorsingen die beiden als Tatverdächtige infrage kommenden Sänger aus stilistischen Gründen ab. Es gibt aber einen wichtigen Unterschied: Der Russe Sergej Smirnow hätte als Darsteller des Osmin, und damit als Bass, vom Tod Martin Strahls nicht profitieren können, der als Evangelist berühmt ist (und damit Tenor singt). Anders der Brite Gregory Fine: Seine Paraderolle als Tamino verlangt nach einem vergleichbar strahlenden und flexiblen, wenn auch lyrischen Tonbereich – ob ihm das Hoffnung genug war, um einen Mord zu begehen?

Oliver Buslau, 17.10.2020, RONDO Ausgabe 5 / 2020



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Tenor, Moderator, Regisseur und Karikaturist Rolando Villazón hat einen Roman geschrieben. Es […]
zum Artikel

Da Capo

Berlin, Staatsoper Unter den Linden

Man wüsste natürlich gern genauer, wegen welch „künstlerischer Differenzen“ der Dirigent […]
zum Artikel

Gefragt

Bernhard Ruchti

Mehr Taktgefühl

Mit widersprüchlichen Metronomzahlen bei Beethoven fing es an – inzwischen klopft der […]
zum Artikel


Abo

Top