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(c) Holger Schneider
Wo wir hin nur schaun, ist Feuer, Pest, und Tod, der Hertz und Geist durchfähret.“ Mit Zeilen wie diesen machte 1636 der deutsche Barockdichter Andreas Gryphius sein Sonett „Tränen des Vaterlands“ zum erschütternden Spiegelbild einer dunklen Zeit. Bereits 18 Jahre dauerte da der Dreißigjährige Krieg, der eine Schneise der Verwüstung durch Europa zog. In jenem Jahr 1636 veröffentlichte aber auch Heinrich Schütz seine erste Sammlung der „Kleinen Geistlichen Konzerte“ für ein- bis fünfstimmige Gesangsolisten und Continuo. Mit diesem wie auch dem nachfolgenden Heft aus dem Jahr 1639 komponierte Schütz aber nicht nur ein die deutsche Vokalmusik erdbebengleiche1s erschütterndes Konvolut. Vielmehr wollte Schütz laut Hans-Christoph Rademann geradezu die Kunst retten – in einer Zeit der Entbehrungen und des Mangels. „Das ist eine Parallele zu unserer Zeit“, wie Rademann nun im Gespräch mit Henning Bey ergänzt. Mit „Musik im Ausnahmezustand“ ist dementsprechend auch dieser rund einstündige Podcast untertitelt, mit dem seit dem Sommer die Internationale Bachakademie Stuttgart ihre Angebotspalette erweitert. „Barock@home“ lautet die neue Reihe im Audio- und Videoformat. In einer Mischung aus Gespräch, Lesung und Musik will man bedeutende Werke des 17. und frühen 18. Jahrhunderts vorstellen und auch ihren privaten, wie im Fall von Schütz oftmals hausmusikalischen Aspekt näher beleuchten. Mit Hans-Christoph Rademann und Henning Bey sitzen sich dabei zwei ideale Gesprächspartner gegenüber, die die Barockmusik aus dem Effeff kennen. Rademann ist seit 2016 Leiter sowohl der Internationalen Bachakademie Stuttgart als auch der unter ihrem Dach musizierenden Gaechinger Cantorey. Henning Bey wechselte schon 2015 vom Freiburger Barockorchester auf den Chefdramaturgenposten an der Bachakademie. In einer angenehmen Plauder-Atmosphäre spielen sich Rademann und Bey also jetzt die Bälle fernab allen fachseminaristischen Jargons zu; erzählen von den Entstehungsumständen und stoßen auch schon mal anhand eingespielter Klangbeispiele detaillierter in Aufbau und Reichtum der ausgewählten Werke vor. Und dass man tatsächlich dann selbst bei einem wohlbekannten Barockschlager ganz neue Aspekte für den Zuhörer entdeckt, zeigt sich bereits bei der Premiere von „Barock@home“ – dem Podcast rund um Händels „Messiah“. Zu hören und zu sehen sind die Podcasts natürlich auf der Seite der Bachakademie sowie auf sämtlichen handelsüblichen Musikplattformen wie Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts, Deezer und Bachtrack. Und die nächsten Folgen sind auch schon im Kasten. Die dritte Folge dreht sich unter dem Titel „Monteverdi im Madrigal-Labor“ um den von Schütz so bewunderten weltlichen Madrigal-Titan und dessen Sammlung „Madrigali guerrieri ed amorosi“, inklusive dem berühmten „Lamento d’Arianna“. Ab dem 19. September widmet sich die vierte Folge von „Barock@ home“ dann dem Namenspatron der Akademie – wenn sich die „Faszination Bach-Choral“ dank feinster Gesprächskultur und Interpretationskunst sofort einstellt.
Mehr zu „Barock@home“:
www.bachakademie.de
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