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(c) Marco Borggreve
RONDO: Sie stammen aus einem musikalischen Elternhaus und haben angefangen mit Klavier. Über Benny Goodman sind Sie dann an die Klarinette gekommen. Wie kam das?
Sebastian Manz: Ich habe die Aufnahme des 2. Klarinettenkonzerts von Benny Goodman gehört, und fand einfach die Energie unglaublich, die er rüberbrachte. Ich dachte: Cooles Instrument, das will ich auch können!
RONDO: Was ist das Besondere an der Klarinette?
Manz: Sie hat einen enormen Tonumfang von der Tenor- bis in die Sopranlage und darüber hinaus. Und für den Reichtum an Spieltechniken lieben gerade zeitgenössische Komponisten die Klarinette sehr.
RONDO: Wie kamen Sie darauf, die Konzerte von Nielsen und Lindberg zu kombinieren? Lag das auf der Hand?
Manz: Ich finde, sie ergänzen sich sehr gut. Fest geplant war zunächst das Nielsen-Konzert, ich wollte das endlich einmal richtig produzieren, das ist nun mal eines der Standardwerke und ich habe damit den ARD-Wettbewerb damals für mich entschieden. Es spielt also für mich eine besondere Rolle. Außerdem ist das Konzert enorm vielschichtig!
RONDO: Und voller Überraschungen, auch formal?
Manz: Genau, es ist im Grunde ein durchkomponiertes Werk.
RONDO: Wie ja das Klarinettenkonzert von Lindberg auch …
Manz: Ja, das ist eine der Gemeinsamkeiten. Aber Nielsen ist abstrakter. Ich entdecke heute noch Dinge, die mir vorher verborgen waren. Das zeichnet für mich qualitativ hochwertige Musik aus. Das Lindberg-Konzert ist dann überraschend tonal, fast tonaler als Nielsen.
RONDO: Beiden Konzerten haben Sie Kammermusik vorangestellt, Nielsens „Serenata in vano“, ein nie gehörtes, kurios besetztes Werk. Warum?
Manz: Für mich war das sehr reizvoll, mit einer kleinen Besetzung zu beginnen und dann zu einer großen Besetzung zu wachsen und zugleich chronologisch voranzugehen. Die „Serenata“ ist ein Quintett für Klarinette, Fagott, Horn, Violoncello und Kontrabass, diese Besetzung ergibt sehr charakteristisch dunkle Farben. Man kommt in der nordischen Klangwelt an. Danach kommt das Nielsen-Konzert, das auch nicht groß besetzt ist, nämlich nur mit Streichapparat, Horn, Fagott und einer kleinen Trommel, die als dunkle Kraft den solistischen Part konterkariert. Die Trommel sorgt für Struktur. Und selbst wenn die Musik sich beruhigt, bleibt es immer unterschwellig unheimlich.
RONDO: Und wie ergänzt der Zeitgenosse Lindberg Nielsens eigenwilliges Werk?
Manz: Lindberg ist näher dran an einer Art Filmmusik-Ästhetik, er ist noch lautmalerischer, das Werk ist viel größer besetzt und kann mehr Klangfarben einsetzen. Lindberg hat unglaublich genau notiert, dabei klingt es streckenweise wie Improvisation.
RONDO: Da Lindberg selbst dirigierte, hatten Sie das Privileg, gemeinsam mit dem Komponisten an der Interpretation arbeiten zu können!
Manz: Ja, ich war überrascht, wie offen Lindberg mit seinen eigenen Angaben umgegangen ist. Wir haben zum Beispiel viel über Tempi diskutiert.
RONDO: Und wie kam es zur Zusammenarbeit?
Manz: Mit viel Glück! Den Weg geebnet hat letztlich Kari Kriikku, dem das Konzert gewidmet ist. Er kennt mich, weil er in der Jury des ARD-Wettbewerbs saß. Die skandinavische Musikszene hält zusammen, sie kennen sich alle.
Regine Müller, 05.09.2020, RONDO Ausgabe 4 / 2020
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