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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Bescheidene Weltklasse: Julian Bream † © Sony Entertainement

Pasticcio

Der Beste!

Sobald Julian Bream das Konzertpodium bisweilen mit gleich zwei Instrumenten betrat, mit der Gitarre in der rechten und einer Laute in der linken Hand, war man erst einmal leicht amüsiert. Denn auf dem Weg zu seinem Schemel bewegte er sich immer etwas tapsig, ungehobelt, fast wie ein hin- und herwankender Schiffsmaschinist. Hatte er aber mit seinem einnehmenden Dauerlächeln das Publikum begrüßt und die Saiten noch ein letztes Mal feinjustiert, verwandelte sich jeweils eines seiner Instrument in einen wahren Klangzauberkasten. Wobei auch dies auf den ersten Blick nie selbstverständlich erschien. Denn während Bream spielte, vermittelte sein Gesichtsausdruck extremeste Hochspannung. Umso verblüffter war man eben auch live, was dieser sich selber einfach als „Plugger“, als „Zupfer“ bezeichnende Musiker für ein Orpheus der Gitarre und der Laute war. Unzählige Stimmen und Stimmungen entlockte er mit seinem leuchtenden, vollen und singenden Ton dem stets anwachsenden Repertoire, das von der Renaissance bis zur Moderne reichte. Und wenn er allein auf die kunstvoll ausgeschmückte Intensität etwa eines John Dowland Meisterwerke der klassischen spanischen Gitarre folgen ließ, war man der festen Überzeugung, dass all das nicht beglückender gespielt werden könnte. Tatsächlich hat niemand diesem Vollblutmusiker je ganz das Wasser erreichen können. Was selbst für einen großen Gitarristen wie John Williams galt, der mit seinem guten Kumpel Julian viele Jahre ein erfolgreiches Gespann bildete.
Dass es Bream beeindruckend gut in den Fingern hatte, hatte sich schon früh angedeutet. Immerhin sollte der im Juli 1933 in London geborene Sohn eines Jazz-Gitarristen bereits im Alter von 13 Jahren sein Konzertdebüt geben. Und mit 16 Jahren war er schon regelmäßiger Gast in den Sendungen der BBC. Als er aber dann Anfang der 1950er Jahre ordentlich die Gitarre studieren wollte und dafür am Londoner Royal College of Music vorstellig wurde, schüttelten die Professoren nur erstaunt den Kopf: Gitarre? So ein Instrument gab es nicht auf dem Lehrplan. Mehr als ein halbes Jahrhundert später besitzt die Gitarre natürlich einen ganz anderen Ruf. Was eben vor allem Bream zu verdanken ist. Wenngleich es vor ihm noch einen Andrés Segovia gegeben hat, der mit der Gitarre endlich auch Konzertsäle eroberte, so sorgte der englische Kollege allein mit anspruchsvolleren Programmen für die überfällige Wertschätzung. Bream beherrschte zwar auch die hübsche Miniatur. Doch ihm sind Stücke und Konzerte etwa von Benjamin Britten, Hans Werner Henze, Peter Maxwell Davies, Toru Takemitsu zu verdanken. Sie alle fühlten sich plötzlich von den ungeahnten Möglichkeiten der Gitarre inspiriert.
Schon früh ist Bream darüber hinaus zweigleisig gefahren. In den 1950er Jahren begeisterte er sich für die Laute und nicht zuletzt für die englische Consort-Musik. Seine Aufnahmen mit Peter Pears, Robert Tear und Peggy Ashcroft zählen bis heute zum Feinsten. Nach unzähligen Konzerten, die Bream im Laufe seiner großen Karriere in aller Welt gegeben hat, war am 6. Mai 2002 schließlich Schluss. Im Maddermarket Theatre/Norwich gab er mit fast 70 Jahren sein letztes Konzert und kümmerte sich danach nur noch verdienstvoll um den gitarristischen Nachwuchs. 2011 musste er die Gitarre dann endgültig an den Nagel hängen, nachdem er sich bei einem Unfall mit einem Hund Brüche und Verletzungen an Hüfte und Hand zugezogen hatte. Und mit seinem typischen Humor gestand er später einmal, dass er über diesen Unfall nur aus einem einzigen Grund richtig verärgert wäre: „Ich weiß, dass ich ein besserer Musiker bin als mit 70 Jahren – aber ich kann es nicht beweisen.“
Im Alter von 87 Jahren ist Julian Bream nun am 14. August in seinem Haus in Wiltshire gestorben. Zum Glück ist sein Vermächtnis bestens dokumentiert – so vor allem in der 40 CDs umfassenden „Complete RCA Album Collection“.

Guido Fischer



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