home

N° 1299
01. - 07.04.2023

nächste Aktualisierung
am 08.04.2023



Startseite · Oper & Konzert · Da Capo

(c) Ruth Walz

Verschlepptes Fin de Siècle

Berlin, Staatsoper Unter den Linden, Straussʼ „Der Rosenkavalier“

Zum Beethoven-Jahr hat sich André Heller etwas ganz Besonderes ausgedacht: Herr von Faninal im 2. Akt des „Rosenkavaliers“ wohnt direkt in der Wiener Secession. Dort hat ihm Gustav Klimt selber seinen Beethoven-Fries an die Wand gezaubert. Für sein Opernregie-Debüt deutet Universalkünstler Heller – dem die Welt schon Feuerwerke, Heißluft-Skuplturen und den Zirkus Roncalli verdankt – den „Rosenkavalier“ als einen Ausdruck des Jugendstils. Sogar das marokkanische Beisl am Schluss zeigt florale Ornamente im Stil des Fin de Siècle. Sagen wir so: Knapp daneben ist auch vorbei. Mit Jugendstil haben weder Hofmannsthal noch Richard Strauss etwas zu tun. Dafür aber hat die Berliner Staatsoper dem prominenten Quereinsteiger eine umso unfehlbarere Besetzung spendiert. Zubin Mehta steht noch einmal bei einer szenischen Opern-Premiere am Pult; verschleppt allerdings den 1. Akt so sehr, dass sich die Sänger immer wieder nach dem fragil gewordenen Maestro umblicken: ‚Bist du schon so weit...?‘ Camilla Nylund klingt als Marschallin etwas „beschlagen“ und parlandoschwach (wie eine Kaiserin aus „Frau ohne Schatten“, die sich ein Gspusi zugelegt hat). Nadine Sierra bei ihrer ersten Sophie überstrahlt sogar den hellstimmigen Octavian von Michèle Losier. Und Günther Groissböck? Er ist der zweifellos wienerischste Ochs seit Jahrzehnten (wohl seit Richard Mayr); gar nicht krachledern oder ordinär. Groissböck verströmt eine Resterotik à la „Bauer sucht Frau“. Endlich mal kein Stänkerer. Sondern ein rustikales Erotikon vom Lande. Brauchen tut diese Berliner Triplette natürlich kein Mensch (die besseren Inszenierungen von Götz Friedrich und Andreas Homoki sind an den anderen Berliner Häusern noch präsent). Als Tourismus-Anreiz immerhin mag die Rechnung aufgehen. Nur gut, dass sich André Heller, der ja neuerdings auch wieder singt, der Mühe des Mitspielens nicht unterziehen mochte.

Robert Fraunholzer, 04.04.2020, RONDO Ausgabe 2 / 2020



Kommentare

Kommentar posten

gemihaus
Tjaja, so sind's die Leut heut ... es war eine ziemlich überflüssige Inszenierung, auch musikalisch langstielig, ein fader Schmarrn halt.


Das könnte Sie auch interessieren

Gefragt

Branford Marsalis

Die guten Musiker machen Pop

zum Artikel

Pasticcio

Alles muss raus!

In über 200 Jahren Musikverlagsgeschichte kommt einiges an wertvollstem Papierkram zusammen. Nicht […]
zum Artikel

Pasticcio

Der vorletzte Jazz-Gigant

Eine Geschichte erzählte Wayne Shorter immer wieder gerne. Es ist die vom Saxophon-Halbgott […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Bei den Organisten steht der französische Komponist Louis Vierne hoch im Kurs. Der Schüler von César Franck und Charles-Marie Widor war selbst ein hervorragender Organist, der zirka 150 Orgelwerke schrieb. Weitaus weniger bekannt ist, dass er auch eine ganze Reihe herausragender Klavierstücke komponierte, kaum ein Klavierstudent – zumal außerhalb Frankreichs – dürfte während seines Studiums mit Viernes Klaviermusik in Berührung kommen. Umso verdienstvoller ist es, dass sich nun der […] mehr


Abo

Top