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(c) Volker Weihbold
Niemand spielt Bruckner so wie wir“, sagt der Dirigent Markus Poschner. Das sind ja große Worte. Die Bedeutung dieses großen österreichischen Orchesters wurde bislang weltweit nicht gerade überschätzt. Fünfzehn Jahre hatte sich zuvor Dennis Russell Davies um Bruckner gekümmert (und noch mehr um Philip Glass). Jetzt werden hochmögendere Töne angestimmt. Und ausgreifende Tourneen gemacht. Poschners Statement kommt nicht von ungefähr. „Weil wir hier in Oberösterreich“, so der geborene Münchner, „einfach eine ganz andere Verbindung zum Tanz, zum Gesang, zur Volksmusik haben“, begründet er die idiomatischere Verbindung zum erzkatholischsten Komponisten von allen. Da ist was dran. Bruckner residierte (und liegt) unweit im Stift Sankt Florian. Schon an Herbert von Karajans Bruckner-Deutungen (er stammte aus Salzburg) bewunderte man einen Sinn für folkloristische Stimmungen. Sie blieben Einzelfälle. Man habe Bruckner „zu wenig Bewegung zugetraut“, legt Poschner nach. Ihn als „zu statisch“ aufgefasst. Das mag wieder stimmen; selbst wenn wir den überragenden Bruckner-Dirigenten, die es gab und gibt, nichts am Zeug flicken wollen. Bruckners Melodien seien „dem Atem nachempfunden – und damit der Bewegung“, so Poschner. Es wäre eine Probe aufs Exempel wert. Dazu gibt’s in der zweiten April-Hälfte ausgiebig Gelegenheit (in Hannover, Wiesbaden, Ludwigsburg, Essen und Düsseldorf). Und da das Bruckner Orchester Linz – ohne Bindestrich geschrieben – stolz auf einstige Gäste wie Clemens Krauss, Hans Knappertsbusch und Sergiu Celibidache ist, mag etwas Odem großer Vorgeschichte durch die Säle wehen (23. bis 28.4.). Gerade bei Bruckners Vierter, der „Romantischen“, die zum Populärsten zählt. Vorneweg hat man sich einen Schlagzeuger engagiert, bei dem – ehrlich gesagt – fast egal ist, was er spielt. Denn Martin Grubinger, ebenso eigensinnig wie hyperoriginell, ist die Show! Er lässt auch neue Kompositionen, hier Avner Dormans Schlagzeugkonzert „Frozen in Time“, runtergehen wie Butter. Das Werk wurde dem Solisten selbst gewidmet (und von ihm 2007 uraufgeführt). Der 25-Minüter gehört zu den wenigen Werken der zeitgenössischen Musik, die es ins Standardrepertoire geschafft haben. Dank Grubinger, der ja schließlich mit irgendwas auftreten muss … Übrigens spielt das Bruckner Orchester daheim nicht nur im eigenen Konzertsaal (dem Brucknerhaus an der Donau). Sondern auch im Operngraben des 2013 eröffneten Musiktheaters – womit das von Wien gut erreichbare Linz mit allen größeren Städten konkurrieren kann. Ihren Slogan „Wir sind Bruckner“, aus dem auch eine gewisse Beschränkung sprechen könnte, dürfen sie selber auf die leichte Schulter nehmen. Schließlich galt der Komponist für reichlich naiv. Als er anlässlich einer Ordensverleihung von Kaiser Franz-Joseph gefragt wurde, ob dieser etwas für ihn tun könne, sagte er: „Majestät, verbietens allergnädigst dem Hanslick, daß er schlecht über mi’ schreibt.“ Er wollte den Wiener Kritikerpapst ausschalten. Vielleicht war Bruckner ja doch nicht so naiv wie man denkt.
Robert Fraunholzer, 28.03.2020, RONDO Ausgabe 2 / 2020
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